Liebe ist staerker als Haß
ritt sie neben dem Mann her, der nun ihr Gatte war. Mehrmals versuchte er mit ihr ein Gespräch anzuknüpfen, aber sie ging nicht darauf ein. Sie mußte alle Kraft und allen Mut zusammennehmen, um nicht in Tränen auszubrechen. Unterwegs schmiedete sie Pläne, wie sie die drei mitreitenden Begleiter umbringen könnte, kam aber zu dem Ergebnis, daß es unmöglich war. Sie mußte ihrem unausweichlichen Schicksal ins Auge sehen.
In der Hochzeitsnacht kamen Furcht und Elend bei ihr vollends zum Ausbruch. Der Howard hatte ein Zimmer im Wirtshaus gemietet. Beim Abendessen saß Zared stumm neben ihm. Sie sagte kein Wort und nahm nur wenig zu sich. Einige Male warf sie einen Blick auf ihn und sah, daß er sie freundlich anschaute. Es schien fast so, als könne er ihre Empfindungen nachfühlen. Doch das stimmte sie nicht nachgiebiger.
Dann wurde es Zeit, zu Bett zu gehen. Sie machte sich auf alles gefaßt. Doch er begleitete sie nicht, sondern schickte ihr mit höflicher Besorgnis die Wirtin hinauf. Ohne sich zu entkleiden, setzte sich Zared aufs Bett und wartete stumm und steif auf ihn.
Einige Zeit später kam Tearle ins Zimmer. Beim Schein einer einzigen Kerze starrte Zared die Bettvorhänge an. Sie hörte, wie er sich auszog. Sie hörte das Rascheln der Strohmatratze, als er neben ihr ins Bett stieg. Und dann streckte er die Hand nach ihr aus.
Bei seiner Berührung kamen alle Ängste Zareds an die Oberfläche. Dann packte sie der Zorn. Später konnte sie sich nicht mehr genau entsinnen, was sie alles zu ihm gesagt hatte. Aber sie hatte Worte benutzt, die ihr bei ihren Brüdern eine Tracht Prügel eingebracht hätten. Sie sagte dem Howard, was sie von seinen Lügen und Betrügereien hielt. Sie sagte ihm, die Geister der toten Peregrines würden auferstehen und ihn heimsuchen. Sie belegte ihn mit allen Schimpfwörtern, die ihr einfielen, und drohte, sie würde sich umbringen, wenn er sie anrührte.
Noch Tage später erinnerte sie sich seines Gesichts in dieser Nacht. Ihre haßerfüllten Anklagen machten ihn überaus betroffen. Er stieg aus dem Bett, zog sich etwas an und wandte sich ihr dann zu.
»Ich habe mich geirrt. Ich dachte, daß vielleicht...«
»Was hast du gedacht?« fuhr sie ihn an.
»Ich dachte, wir könnten Mann und Frau werden. Da habe ich mich wohl getäuscht.«
»Wir sind eine Peregrine und ein Howard«, sagte sie. »Wie könnten wir jemals etwas anderes werden?
Hast du erwartet, ich würde dich wegen der paar Worte eines Priesters plötzlich lieben? Bildest du dir ein, einige Augenblicke in der Kirche könnten drei Generationen währenden Haß zum Verschwinden bringen? Ich habe dir immer gesagt, daß ich dich hasse. Hast du mir das nicht geglaubt?«
Er schwieg eine Zeitlang und sah sie nur an. »Wahrscheinlich nicht. Ich habe ... schon bei unserem ersten Zusammentreffen etwas für dich empfunden. Es war vermessen von mir, zu erwarten, daß du meine Gefühle je erwidern würdest.« Er zog sein Leinenhemd an, nahm die übrigen Kleidungsstücke über den Arm und ging zur Tür. »Wir sehen uns morgen früh«, sagte er noch, bevor er ging.
Zared war so verdutzt, daß sie keine Antwort fand. Sie saß auf dem Bett und starrte die Tür an. Was war das für ein Mann? Hätte eine andere Frau zu einem Peregrine so gesprochen wie sie eben zu Tearle ... nun, ihre Brüder hätten das gleiche mit ihr gemacht, was Severn mit Lady Anne gemacht hatte. Doch Tearle hatte ihr kein zorniges Wort zurückgegeben, als sie ihn beschimpfte. Statt dessen hatte er seine Braut in der Hochzeitsnacht einfach verlassen.
In dieser Nacht fand sie wenig Schlaf. Am Morgen ging sie nach unten, wo sie die Howards bereits erwarteten. Ihr Mann half ihr nicht aufs Pferd, wie er es gewöhnlich tat, und er sprach den ganzen Tag über kein Wort mit ihr.
Die zweite Nacht verbrachten sie in einer anderen Gastwirtschaft. Diesmal kam er nicht einmal in ihr Zimmer. Zared war so müde, daß sie bald einschlief. Aber als sie morgens aufwachte, mußte sie gegen aufkommenden Unwillen ankämpfen. Während sie neben ihm ritt, fand sie sein Schweigen genauso ärgerlich wie vorher sein ständiges Reden.
»Wohin reiten wir?« fragte sie. Die Worte klangen trotziger, als sie es gewollt hatte.
Er warf ihr einen scharfen Blick zu. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und Bartstoppeln auf den Wangen. Wäre Zared nicht so ausschließlich mit ihrem eigenen Elend beschäftigt gewesen, hätte sie sich wegen seines Aussehens Gedanken gemacht. Sie konnte ja
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