Liebe ist staerker als Haß
»Wenn unsere Hochzeit und ein daraus entspringendes Kind die Fehde nicht beenden können, dann sehe ich keinen vernünftigen Grund für unsere Ehe.«
»Ich auch nicht«, antwortete sie und sah ihm in die Augen.
Tearle betrachtete sie eine Zeitlang. Dann lächelte er. »Ich habe in meinem Leben manche Dummheit angestellt, aber dies war die größte, Lady Zared«, sagte er und nahm die Mütze ab. »Ich bitte um Verzeihung, daß ich dich zu dieser Ehe gezwungen habe. Ich bitte um Verzeihung, daß ich annahm, du würdest etwas für mich übrighaben. Jetzt sehe ich ein, daß ich ein Narr war. Der Haß der Peregrine ist stärker als die Liebe des Howard. Da in dieser Fehde kein Kompromiß möglich zu sein scheint - weil jede Partei von der anderen die bedingungslose Kapitulation fordert -, schlage ich vor, daß wir unsere Ehe beenden.«
»W-wie können wir das erreichen?«
»Ich werde den König darum bitten. Wenn ich ihm dafür ein kleines Stück Land übertrage, wird er sicherlich bereit sein, die Ehe zu annullieren. Dann können wir alle dorthin zurückkehren, woher wir kamen. Deine Leute können weiterhin meine Leute ausspähen, und meine können deine ausspähen. Ist dir das recht?«
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete sie ernst.
»Nicht sicher? Aber gibt es denn eine andere Möglichkeit? Du haßt mich und möchtest lieber sterben, als von mir berührt zu werden. Also sind keine Kinder zu erwarten. Was mich betrifft, ich hätte gern ein paar Sprößlinge. Deshalb schlage ich vor, daß wir so lange im Haus meiner Mutter bleiben, bis wir die Antwort vom König erhalten. Ich möchte nämlich nicht auf eurer Burg bei deinem schwierigen Bruder darauf warten, und du wohl ebenso ungern bei meinem Bruder.«
»Nein«, sagte sie rasch. »Bei den Howards möchte ich nicht leben.«
»Dann ist es abgemacht. Das heißt, falls es dir recht ist. Ich möchte mir keine weiteren Klagen anhören, daß ich dich zu irgend etwas gezwungen hätte - zur Heirat oder ins Ehebett. Du hast ja gesagt, du möchtest lieber mit einem ... wie war es noch? Mit einem dreibeinigen Buckligen, der das Zeichen des Teufels auf der Backe trägt. Habe ich dich richtig zitiert?«
Zared errötete und sah zur Seite. Sie hatte in der Hochzeitsnacht vieles gesagt, woran sie sich nicht mehr erinnerte. Und sie hätte vor keiner Beleidigung zurückgescheut, um ihn von sich fernzuhalten. Sie nickte bestätigend.
»Gut, dann sind wir wenigstens darin einer Meinung. Je eher die Ehe annulliert wird, desto eher können wir uns trennen, desto eher kann ich mir Frauen suchen, die mir gern zu Willen sind.« Er lächelte hintergründig. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Sein Gesicht wirkte wie verklärt. »Bei dem Turnier sah ich eine kleine Blonde mit grünen Augen. Sie hatte Haare ...« Er brach ab und räusperte sich. »Das wäre also abgemacht. Gibst du mir die Hand darauf?«
Rasch nahm Zared die dargebotene Hand und drückte sie fest. Dann runzelte sie die Stirn und sah weg. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Doch aus irgendeinem Grund war sie nicht froh darüber.
Der Anblick des Hauses, das ihrem Mann gehörte, bereitete Zared noch größeres Unbehagen. Es war ein Schloß, und keine durch hohe Mauern geschützte Festung, aber es war ein schönes, weitläufiges Schloß aus rosarotem Stein. Es lag inmitten eines großen Parks, unter dessen Bäumen Rehe und Hirsche ästen. Alles war sauber, gepflegt und wunderschön.
Sie sagte sich, daß dieses Schloß ungeeignet zur Verteidigung war. Jeder, der wollte, konnte es einnehmen. Andererseits verliebte sie sich sofort in seine Schönheit.
Dann ritten sie unter lautem Hufgeklapper in den Hof ein. Zur Begrüßung erschienen drei in erlesenes Brokat gekleidete ältere Frauen. Ihr Kopfschmuck war mit glitzernden Juwelen besetzt.
Tearle stellte Zared die drei Damen vor. Sie waren freundlich und höflich und unterließen die naheliegende Frage, warum sie Männerkleidung trage. Zared hatte sich eigentlich vorgenommen, nach dem Absteigen einen Knicks vor ihnen zu machen. Aber dann verbeugte sie sich doch nur leicht. Schon nahm Tearle ihren Arm und richtete sie auf. Er sagte ihr, die drei netten Frauen seien ihre Zofen. Sie würden sich um sie kümmern, wie sie sich schon um seine Mutter gekümmert hätten. Sie sollte jetzt mit ihnen gehen, und beim Abendessen würden sie sich Wiedersehen.
Beim Anblick der Frauen und ihrer schönen Gewänder befiel sie so etwas wie Angst. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nie
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