Liebe ist staerker als Haß
bedacht, wie sich ihr Leben ändern würde, wenn sie Frauenkleider trug. Der Zorn auf ihren Gemahl hatte all ihre Gedanken in Anspruch genommen. Jetzt dachte sie daran, wie es sein würde, in ein seidenes Gewand gehüllt zu sein und den weichen Stoff auf der Haut zu fühlen. Doch gleichzeitig erschreckte sie die Vorstellung. Sehnsüchtig schaute sie Howards Männern nach. Zweifellos würden sie jetzt zu den Stallungen oder in die Männerunterkünfte gehen, Bier trinken und voreinander mit ihren Erlebnissen beim Turnier angeben. Wie gern würde sie sich ihnen anschließen! Bei diesen Männern, die prahlten, rülpsten und sich kratzten, würde sie sich wohler fühlen als unter den Frauen.
Da merkte sie, daß Tearle sie beobachtete. Zum ersten Mal sah sie in ihm nicht den Feind, sondern den Menschen, den sie von allen hier am besten kannte. Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln.
»Hier entlang, Lady Zared!« sagte eine der Frauen.
Flehend sah sie Tearle an, mit der stummen Bitte, ihr zu helfen und sie mit den Männern gehen zu lassen.
Allmählich schien er die Bedeutung ihrer Blicke zu verstehen, denn er sagte: »Ich komme bald zu dir.«
Diese Worte ließen Zared erröten. Das hörte sich ja so an, als könne sie es nicht ertragen, eine Zeitlang von ihm getrennt zu sein! Erhobenen Hauptes folgte sie den drei Damen. Sie würde ihm zeigen, daß sie ihn nicht brauchte.
Oben wurde es noch schlimmer, als sie befürchtet hatte. Die Frauen schienen zu glauben, daß sie nur zu ihrem Schutz in Männerkleidung steckte und sich danach sehnte, ein Seidenkleid anzulegen. Sie entschuldigten sich, daß ihr Gemach noch nicht hergerichtet sei.
Zared schaute sich in dem großen, mit Eiche getäfelten Raum um und fragte sich, was hier noch nicht zum Empfang bereit sein könnte. Auf der Burg ihrer Familie gab es kein einziges Gemach, das auch nur halb so hübsch war. Sie trat an das breite Himmelbett und berührte vorsichtig die Vorhänge.
»Sollen wir Euch beim Baden und Ankleiden zur Hand gehen, Mylady?« fragte eine der Frauen.
Zared wollte unter allen Umständen vermeiden, daß sie merkten, wie wenig sie mit alldem vertraut war. »Nein. Ich ... ich werde allein zurechtkommen.« Die Frauen sahen einander bedeutungsvoll an, und sie wußte, daß sie das Falsche gesagt hatte.
»Sehr wohl. Dann werden wir Euch das Bad bringen lassen.«
Zared konnte nur stumm nicken. Die drei Frauen verließen das Gemach. Nach wenigen Minuten trugen vier Männer die große hölzerne Badewanne herein. Ihnen folgten Frauen mit heißem Wasser, Seife und Handtüchern.
Das Badewasser war angenehm. Zared war froh, daß ihr Liana einiges über das Baden beigebracht hatte, so daß sie sich vor den Zofen der Howards nicht noch mehr blamieren würde. Sie seifte ihren Körper und die Haare ein und tauchte dann in der Wanne unter, um die Seife abzuspülen. Als das Wasser abkühlte, stieg sie aus der Badewanne auf den kalten Steinfußboden und griff nach einem Handtuch. Es war aus viel feinerem Stoff als dem, an den sie gewöhnt war, und vom Kaminfeuer angewärmt. Eine Zeitlang steckte sie das Gesicht in den weichen Stoff und roch daran. Und wenn in unserer Burg noch so gründlich saubergemacht wird, dachte sie, die wird es so gut darin riechen wie in diesem Haus und allem, was es darin gab.
Sie trocknete sich ab und sah sich dann nach ihren Kleidungsstücken um. Sie waren nirgends zu finden. Statt dessen lagen ein sauberes weißes Leinenhemd und eine lange Robe aus weichem Samt auf dem Bett. Sie war dunkelblau und mit winzigen goldenen Lilien bestickt. Diese zog sie über, schlang die Arme um sich und legte die Wange an den üppigen weichen Samt.
In diesem Augenblick klopfte es leise an die Tür, und eine der Zofen trat ein. Zared glaubte mitbekommen zu haben, daß sie Margaret hieß.
»Mylady«, sagte die Frau. Es dauerte eine Weile, bis Zared begriff, daß sie gemeint war. »Lord Tearle bittet Euch, ihm unten beim Abendessen Gesellschaft zu leisten.«
Zared wollte ihr gerade antworten, daß sie bald erscheinen würde, denn sie war ziemlich hungrig. Aber dann fiel ihr ein, daß sie nichts anzuziehen hatte. »Es wäre mir lieb, wenn man mir meine Kleider brächte«, sagte sie so hochmütig, wie sie nur konnte.
»Wenn Ihr so gut sein würdet, mir zu sagen, wo sich Euer Gepäck befindet, werde ich dafür sorgen, daß Euch die Sachen sofort hergebracht werden.«
Was sollte Zared darauf antworten? Sie besaß ja gar kein Gepäck. »Sag ihm« - sie wußte
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