Liebe ist staerker als Haß
machte sich mit leichter Hand daran, ihre zerzausten Haare zu fri-sieren. Als Kind hatte sie sich nie gekämmt. Erst als sie älter wurde und die gutaussehenden jungen Männer bei ihren Brüdern mit den Waffen üben sah, hatte sie zum Kamm gegriffen, ihn aber nur einfach durch die Haare gezogen, wenn nötig mit Gewalt.
»Was für eine wunderschöne Haarfarbe!« sagte Tearle. »Und so weich wie eine Pusteblume.« Er massierte ihr den Nacken und die Kopfhaut. »Nicht einmal Seide ist so weich.«
Als er damit fertig war, schlug sie die Augen auf. Er stand zwischen ihr und dem Feuer, und in seinem Blick war eine Herzlichkeit, die sie noch nie gesehen hatte. »Es sind doch nur Haare«, sagte sie grob, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr das Lob geschmeichelt hatte.
»Willst du dich jetzt ankleiden?«
Zared schaute zu dem Kleid hin, das auf dem Bett lag, und überlegte, ob sie das wohl allein schaffen werde. Doch noch ehe sie sich schlüssig geworden war, trat Tearle von hinten auf sie zu, legte ihr die Hände auf die Schulter und wollte ihr die Robe abnehmen. Instinktiv klammerte sie sich an ihr fest.
»Heute abend werde ich die Zofe der Lady spielen«, sagte er. »Ich muß dir doch bei den Verschlüssen helfen.« Lächelnd fügte er hinzu: »Falls ich nicht doch lieber Margaret rufen soll.«
»Nein, ich ...« Sie schuckte. »Vielleicht könnte ich das Abendessen hier im Zimmer zu mir nehmen.«
»Zared«, sagte er ernst, »du kannst sowieso nicht ewig mit dieser einen Robe hier im Zimmer bleiben. Wenn du mich beim Ankleiden nicht dabeihaben willst, kann ich ja eine Zofe rufen.«
Er war zwar ihr Feind, aber wenigstens war sie an ihn gewöhnt. Immerhin hatte sie schon manchen Tag in seiner Gesellschaft verbracht. Sie ließ die Robe los, und er nahm sie ihr ab. Zared schnappte sich das Kleid vom Bett und hielt es vor ihren Körper.
»Nun«, sagte er im Ton des Fachmanns, »über den Kopf damit! Nein, nicht so rum, andersrum! Hier, dreh es herum! Dies ist die Vorderseite.«
Zared raffte das Kleid vor sich zusammen, damit nichts von ihrem Busen zu sehen war. Noch nie war sie bei Tag umhergegangen, ohne daß ihre Brüste eingeschnürt waren. In dem tief ausgeschnittenen Kleid und ohne die schmerzhafte Einschnürung kam sie sich seltsam fremd vor.
»Stillhalten!« sagte Tearle hinter ihr und befestigte die Schließbänder an der Rückenlinie.
Das Kleid saß sehr knapp in der Taille, ließ aber, wie sie mit einem Blick auf den tiefen V-Ausschnitt feststellte, den Busen ziemlich frei. Schamhaft bedeckte sie ihn mit den Händen.
Tearle hatte seine Arbeit beendet und drehte Zared herum, um sie zu betrachten. »Es sitzt ja wie angegossen. Nun ja, meine Mutter war auch immer sehr schlank.« Er trat einen Schritt zurück. »Nimm doch die Hände herunter! Sie gehören an die Seite.«
Zared gehorchte, sah jedoch zu Boden. Ein Schweigen trat ein, das ihr schließlich unerträglich wurde. Langsam hob sie die Lider. Als sie seine Miene sah, spürte sie, wie es ihr heiß durch den Körper rieselte.
Tearle räusperte sich. Es fiel ihm schwer, sich von ihrem Anblick zu trennen. »Wollen wir zum Essen hinuntergehen?« fragte er und bot ihr den Arm.
Zared tat zwei Schritte und fiel nach vorn, doch konnte er sie noch rechtzeitig auffangen.
»Es ist die Schleppe«, sagte er.
Zared sah sich um und bemerkte, daß das Kleid unten eine Menge Stoff nachschleppte. Wie sollte man damit gehen?
»Ich glaube, daß man sie über den Arm nimmt«, sagte Tearle. Zared schaute ihn ungläubig an. »Und zwar so, wenn ich mich nicht irre.« Und er machte es ihr vor.
Er vollführte ein paar Trippelschritte und machte eine schwungvolle Handbewegung, als griffe er nach etwas. Dieses imaginäre Ding legte er sich dann über den angewinkelten Arm. Zared mußte an sich halten, um nicht laut loszulachen. Das war der schwarze Ritter? Das war der geheimnisvolle Kämpfer, der alle Turnierteilnehmer der Reihe nach in den Sand streckte?
Sie runzelte leicht die Stirn. »Ich habe es noch nicht richtig mitgekriegt. Kannst du mir es noch einmal vormachen?«
»Wie gesagt, ich weiß nicht genau, wie es gemacht wird, aber den Ladys fällt es ganz leicht. Du mußt kleine Schritte machen.«
Er ahmte wieder eine trippelnde Lady nach, und sie sah ihm vergnügt zu.
»Dann leicht nach hinten beugen - möglichst anmutig -, die Schleppe aufnehmen und sie sich über den Arm legen. So, das ist doch nicht schwer, oder?«
»Ich versuche es mal.« Zared machte
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