Liebe ist staerker als Rache
erblickte – entspannt gegen die Motorhaube des Jeeps gelehnt –, verlor sie die Nerven. Sie parkte, stieß die Fahrertür auf, hielt die Einkaufstüten wie ein Schild vor sich und marschierte auf die Haustür zu.
Er machte Anstalten, sie ihr abzunehmen, aber sie wehrte ab. „Ich habe doch gesagt, du bist hier nicht willkommen!“
Unverschämterweise lächelte er. „Bist du abends immer so kratzbürstig? Das muss ich mir merken. Womöglich bist du Frühaufsteherin und morgens besser gelaunt?“
Maddie schloss die Haustür auf und wusste, auch ohne sich umzudrehen, dass er ihr folgte. Sie stellte die Tüten ab und drehte sich auf dem Absatz um. Ihre Müdigkeit war schlagartig verschwunden. „De Rojas! Wie oft muss ich es noch sagen: Ich will dich hier nicht! Außerdem habe ich deinen Namen die letzten Tage derart oft gehört, dass ich für den Rest meines Lebens genug davon habe. Also bitte, geh!“
Am liebsten hätte ihn Maddie mit Gewalt hinausbefördert, aber sie wagte es nicht, ihn zu berühren. Schon jetzt fühlte sie das unstillbare Bedürfnis, ihn zu spüren, den Duft seiner Haut einzuatmen … Außerdem sah er absolut unwiderstehlich aus mit der lässigen Jeans und dem weißen Hemd. Er verkörperte perfekt das Bild des „erfolgreichen Winzers“. Auch sie hatte sich schick gemacht – wegen ihres Bankbesuchs. Dafür hatte sie sogar ihr letztes Geld ausgegeben – eingedenk Nics Kritik an ihrer Garderobe.
Als könne er ihre Gedanken lesen, glitt sein Blick prüfend an ihr hinunter. Das Blau seiner Augen vertiefte sich, als er den schmal geschnitten Rock, die Pumps und die weiße Seidenbluse musterte. Zuletzt glitt sein Blick zu ihrem Haar, das sie im Nacken zu einem Chignon geschlungen hatte. „Wow! Beeindruckend, dieser Businesswoman-Look. Schlicht und cool.“
Maddie ballte die Hände zu Fäusten. Sie fühlte sich alles andere als cool.
„Offensichtlich hast du dich nach einem Investor umgesehen – und bist gescheitert, deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen“, fuhr er fort, bevor sie etwas entgegnen konnte. „Eigentlich bin ich nur gekommen, um dir mitzuteilen, dass der Anwalt meines Vaters für diese Briefe verantwortlich ist. Wahrscheinlich war er in meine Mutter verliebt und schwor ewige Rache, als sie sich umbrachte.“
Maddie sank auf einen Stuhl. Wird das denn nie aufhören? Können wir denn nie diesen grauenvollen Kreislauf unterbrechen, in dem unsere Familien gefangen sind? „Danke, dass du mir das sagst“, stieß sie hervor. Sie hob den Blick und meinte, so etwas wie Besorgnis auf seinem Gesicht zu sehen. Aber wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein, sagte sie sich.
„Ich habe mir erlaubt, deine Stromrechnung zu begleichen.“
Wütend sprang Maddie auf. „Ich habe doch gesagt, dass ich klarkomme!“
Gleichmütig betätigte Nic einen Lichtschalter. Nichts geschah, und Maddie lief hochrot an. „Ich wusste, dass du lügst. Und ich tue das nur, weil die Situation ein Sicherheitsrisiko darstellt. Ich kann ja wohl schlecht zusehen, dass etwas passiert, obwohl ich es hätte verhindern können. Egal – jedenfalls wird der Strom demnächst wieder angestellt.“
Maddie zitterte vor hilfloser Wut.
Nic hob die Brauen. „Ist es wirklich so schwer ‚Danke, Nic‘ zu sagen?“
„Was willst du eigentlich wirklich von mir?“, stieß sie mit erstickter Stimme hervor.
Er trat auf sie zu und sah sie an. Maddie zwang sich, ihr Zittern zu unterdrücken.
„Dinner. Heute Nacht. Bei mir.“
Am liebsten hätte sie abgelehnt, aber sie musste an ihre Angestellten denken. „Gut“, brachte sie schließlich mühsam hervor.
Den Bruchteil einer Sekunde knisterte die Luft vor Spannung. Dann drehte sich Nic auf dem Absatz um und marschierte hinaus. Maddie sank kraftlos einen Stuhl.
Er hatte ihr soeben den Boden unter den Füßen weggezogen mit seiner großzügigen Geste – und seiner Einladung. Dadurch verschoben sich die Grenzen zwischen ihnen. Die Bedrohung, die sie empfand – auf mehr als einer Ebene –, blieb jedoch bestehen.
Vielleicht ist ja genau das seine Absicht? Vielleicht will er ja meinen Widerstand brechen, bis er mich endlich da hat, wo er mich haben will? Maddie überlief eine Gänsehaut. Sie sah sich in Nics Bett, wie er sich triumphierend über sie beugte, wie ein Pirat über seine Beute. Ich muss ihm unmissverständlich klarmachen, dass ich seine Einmischung nicht wünsche! nahm sie sich vor. Außerdem würde sie mit ihm einen Plan aufstellen, um ihm die
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