Liebe kommt auf sanften Pfoten
Ecke ihres Schreibtisches für die Akten frei. Ihre »Wiedereingewöhnungsphase« war längst vorbei; Douglas hatte ihr mehr Gerichtsfälle übertragen als allen anderen, um die Arbeitsrückstände vor der nächsten Leistungsbewertung des Stadtrats aufzuarbeiten.
Wenigstens einmal am Tag erinnerte er jeden einzelnen Mitarbeiter daran, dass immer noch die Gefahr bestand, mit dem Bezirksgericht des benachbarten Landkreises zusammengelegt zu werden. Was Louises Panik aber nur noch steigerte, sodass sie noch schneller ihr altes Arbeitstempo wieder erreichen wollte, damit sie sich auf diese Art für Douglas unentbehrlich machen konnte.
Wenn doch nur ihre verzweifelte Arbeitswut sie von all den Dingen ablenken könnte, die ihr durch den Kopf gingen! Was aber leider nicht der Fall war. Sobald sie etwas erledigen sollte, wurde sie heimtückisch von Sorgen und Ängsten überwältigt, die sie von ihrer Arbeit ablenkten. Stand sie vor Gericht, sorgte sie sich um Peter und ihre Ehe. Zu Hause quälte sie sich mit der Frage herum, was passieren würde, wenn sie schwanger werden würde, bevor der Stadtrat die Zusammenlegung verkündete.
Obwohl sie diese eine Sorge – realistisch betrachtet – von ihrer Liste streichen konnte. Was das betraf, sollte sie sich wohl eher Gedanken darüber machen, dass der arme Peter wegen ihrer Gefühlskälte nicht noch die Scheidung einreichte.
»Louise?«
Louise merkte, dass sie schon eine ganze Weile auf die zuoberst liegende Akte starrte, einen Genehmigungsantrag, der zum wiederholten Male gestellt wurde. »Tut mir leid. Ich habe mich nur gerade … gefragt, wann der Fall der Red Lions noch einmal wiederaufgerollt wird. Und da ist er schon.«
Tanya schien das kaum zu überzeugen, doch sie schwieg wohlweislich.
Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, öffnete Louise das Browserfenster wieder und las weiter.
Wie hatte sie es so weit kommen lassen können, fragte sie sich, während ihr Blick die Internetseite nach bestimmten Schlüsselwörtern absuchte. Affäre. Schuld. Verlust der Leidenschaft. Suchte sie tatsächlich auf Mumsnet Rat, wie sie ihr Leben nach einer Affäre wieder in den Griff bekommen sollte, anstatt einfach ihre Mutter zu fragen? Oder eine Freundin? Oder gar ihre Schwester?
Louises Juristenverstand argumentierte sogleich, dass dies genau die Leute waren, die man in einer solchen Situation niemals um Rat fragen sollte. Stattdessen sollte sie einfach aufhören, dumme Fragen zu stellen, und sich lieber um eine hilfreiche Strategie kümmern.
Ihr blieb aber auch kaum eine andere Wahl – sie hatte schlichtweg keine Zeit dafür, selbst zu Relate zu gehen, der Organisation, die Hilfe und Unterstützung bei Beziehungsproblemen gab. Außerdem würde Peter sicherlich wissen wollen, wo sie hinging, und jeder Moment, den sie mit Toby verbringen konnte, war ihr wichtiger als alles andere – insbesondere, seitdem sie wieder arbeitete. Ihre Freundinnen vom Elternverein des NCT hatten sich alle glücklich in ihre Mummy-Welt eingeigelt, zudem wollte sie gar nicht mehr zur NCT-Gruppe zurück. Sie traute sich selbst nicht über den Weg, nicht nach Michael zu fragen, um herauszufinden, wo er war und wie es ihm ging. Es tat weh, doch Louise befürchtete, sogleich wieder schwach zu werden.
Einzig sicher waren in dieser Zeit allein zwei Dinge: Sie liebte ihren Sohn über alles und fühlte sich unsagbar einsam. Und dabei hatte sie nicht einmal einen Minton, bei dem sie ihren Kummer abladen konnte. Juliet dagegen wurden wenigstens unbegrenztes Mitgefühl und Ratschläge zuteil, und alle Leute erklärten ihr, welch perfekte Ehe sie geführt hatte – selbst wenn sie es besser wusste …
Louise wurde angesichts ihrer eigenen Gemeinheit ganz schlecht, und schnell öffnete sie ihre Schreibtischschublade. Der Dairy-Milk -Schokoriegel für den Notfall hatte gerade mal sechsunddreißig Stunden gehalten. Ein Rekord. Sie riss die Verpackung auf, brach den Riegel in der Mitte durch und erlaubte sich, noch vier Minuten über ihre Möglichkeiten nachzudenken, bevor sie mit der Bearbeitung ihrer Fälle fortfuhr.
Der Konsens der Meinungen schien sich zu etwa gleichen Teilen in zwei Lager zu splitten. Entweder sollte sie die Last ihrer Schuld und Schande als eine verdiente Strafe bis an ihr Lebensende tragen oder Peter alles gestehen, ehrlich zugeben, was sie getan hatte und warum, um dann einen Neubeginn zu versuchen.
Gruppe A fand, dass es Peter gegenüber nicht fair sei, ihn mit den Details
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