Liebe kommt auf sanften Pfoten
zu bestrafen, und Louise war geneigt, dem zuzustimmen. Schließlich war es ihr Chaos, das sie angerichtet hatte, und nicht seines. Gruppe B dagegen beharrte darauf, dass sie nichts wiederaufbauen könne, solange nicht alle Karten auf dem Tisch liegen würden, und sosehr Louise allein schon bei dem Gedanken zurückschreckte, wie sie ein solches Gespräch überhaupt anfangen sollte, so war sie doch nicht dumm. In den letzten zehn Monaten war sie keinen einzigen Schritt vorwärtsgekommen. Jedes Mal wenn sie Peter ansah, war eine dritte Person im Raum. Nicht nur Michael stand zwischen ihnen, sondern auch ihre Scham und das schlechte Gewissen.
Im Grunde bin ich diejenige, mit der ich mich auseinandersetzen muss, dachte sie, während sie die zweite Hälfte des Riegels in kleine Stücke brach, damit diese nicht so schnell verschlungen waren wie die erste Hälfte. Ich bin diejenige, die einen Schlussstrich unter die ganze Angelegenheit ziehen muss.
Das Ende ihrer Affäre war trotz allem recht würdelos gewesen. Eine panische, taktlos formulierte SMS, eine knappe Antwort; dann hatte sie all seine E-Mails und seine Telefonnummern gelöscht und jeden Hinweis auf ihn zerstört, um jeglichen Rückfall zu verhindern.
Nicht, korrigierte sich Louise, dass irgendein Rückfall zu befürchten war, zumindest nicht in körperlicher Hinsicht. Es waren vielmehr die Freundschaft und das Gefühl, dass ihr jemand zuhörte, die sie wie eine klaffende Lücke in ihrem Leben empfand. Ja, natürlich hatte sie Michael attraktiv gefunden, aber dieses Empfinden war allein der Zeit geschuldet, die sie miteinander verbracht hatten. Mit jeder Woche hatten sie ihre gleiche geistige Wellenlänge mehr genossen. Bens Tod und die chaotischen Wochen danach, als nichts mehr real zu sein schien, hatten dazu geführt, dass die natürlichen Grenzen aller Dinge überschritten worden waren. Wenn Ben nicht gestorben wäre, vielleicht hätte sie alles so belassen können, wie es gewesen war. Dann hätte sie niemanden enttäuschen und hintergehen müssen.
Ja, genau , erklang die Stimme in ihrem Kopf.
Während sie eine Akte studierte, blinkte plötzlich eine neue Mail in ihrem Postfach auf. Sie stammte von Peter, der Betreff lautete »Freitagabend-Date«.
Louise wurde es schlecht, was sicherlich nicht an der Schokolade lag.
Vielleicht wenn ich Michael noch einmal sehe, mich aufrichtig bei ihm entschuldige und akzeptiere, dass es einfach nur eine Freundschaft war, die quasi übergekocht ist, und keineswegs eine vernichtende Anklage gegen meine Ehe – vielleicht kann ich dann über alles hinwegkommen, dachte sie.
Louise hatte plötzlich wieder seinen überraschten Gesichtsausdruck vor Augen – den Moment, als sie den Kopf verloren und ihn auf der Brücke geküsst hatte. Zuvor hatte sie zwei Tage lang nicht schlafen können und mit einer hysterischen, trauernden Juliet dagesessen und sich rund um die Uhr um Toby gekümmert, doch sie hatte sich nie wacher und entschlossener gefühlt, jede Minute auszukosten, als in jenem Moment. Der Kuss war unglaublich gewesen. Ihr war schwindelig geworden, und dennoch hatte sie den Geschmack seiner Lippen und ihren heißen Atem in aller Deutlichkeit wahrgenommen.
Was aber, wenn du ihn wiedersiehst und nicht die richtigen Worte findest, argumentierte die Stimme in ihrem Inneren. Schließlich war dies kein Gerichtshof, und es würden keine Zeugen gehört werden. Du wärst auf dich allein gestellt.
Ich werde ihm einen Brief schreiben, beschloss Louise. Sie konnte ihn nicht anrufen oder ihm eine E-Mail schreiben, da sie all seine Kontaktdaten rigoros gelöscht hatte. Aber sie konnte ihm schreiben. Die Worte würden sie nicht im Stich lassen.
Zufrieden mit ihrem Plan drehte sie sich mit ihrem ledernen Bürosessel um und beobachtete ein Taubenpärchen, das sich draußen auf der Klimaanlage niederließ.
Wenn ich nicht meine Gedanken geordnet bekomme und mein Leben wieder in geregelte Bahnen lenke, dann werde ich noch sehr lange in einem Büro sitzen, von dem aus ich auf die Klimaanlage hinausschaue, dachte Louise.
Und dann, weil ihr nichts anderes wichtiger erschien, zerrte sie einen Stapel Papier aus dem Drucker und begann zu schreiben.
Jeden Morgen war Juliet so sehr mit den Haushalten anderer Leute beschäftigt, dass sie bereits die kompletten Hörbuchausgaben von Jane Austen durchgehört hatte und nun mit Charles Dickens begann.
Obwohl der August beinahe schon vorüber war und die Sommerferien sich langsam dem Ende
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