Liebe kommt auf sanften Pfoten
Haufen Arbeit vor dir hast. Aber immerhin sind die grundlegenden Arbeiten erledigt. Und es ist ein schönes Haus. Ein fröhliches Haus.«
Das Teewasser kochte, doch Juliet nahm den Kessel nicht vom Herd. »Findest du?«
Lorcan nickte. »Ich habe schon viele Häuser gesehen. Und das hier ist ein fröhliches Haus.« Dann, als ihm klar wurde, was er sagte, war das Strahlen in seinen Augen mit einem Schlag erloschen, und er vergrub das Gesicht in seiner riesigen Hand. »Herrje, ich wollte nicht … Es tut mir leid!«, murmelte er. »Das war blöde. Schon wieder. Ich bin ein Idiot.«
Unbewegt goss Juliet das kochende Wasser in die mit rosafarbenen Herzen verzierte Teekanne von Emma Bridgewater. Diese Kanne hatte auf ihrer Liste mit den Hochzeitsgeschenken gestanden und war ihnen von Auntie Cathy geschenkt worden, die sich beim Empfang so sehr betrunken hatte, dass sie ihrer Mutter erklärte, es sei doch eine Schande, dass Juliet keinen besseren Mann als einen Gärtner gefunden habe. Im Gegensatz zu der hochambitionierten Louise mit ihrem Peter, die »einmal so reich wie Bill Gates werden wird, ich sag’s euch!«.
»Alles bestens«, erwiderte sie. »Alles bestens.« Diese Antwort konnte sie mittlerweile schon automatisch abspulen. Sie hatte sie oft angebracht – meistens wenn sie Besuchern, die es gut mit ihr meinten, heißen, gesüßten Schwarztee vorsetzte. »Wir haben es auch als ein fröhliches Haus empfunden, als wir es gekauft haben. Schließlich kann das Haus ja nichts dafür, dass sich die Dinge nicht ganz so schön entwickelt haben.«
Lorcan fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und schaute sie zerknirscht über die Handkante hinweg an. »Es tut mir leid. Deine Mutter hat mir von deinem Verlust erzählt. Sie hat allerdings nicht gesagt, wann das passiert ist.«
»Letzten Oktober. Man darf sich das aber nicht so wie die Masern vorstellen. Man ist nicht plötzlich geheilt.«
»Nein, das habe ich auch nicht gemeint.«
»Oder wäre es einfacher, wenn Witwen eine schwarze Armbinde tragen würden?«, fuhr Juliet verärgert fort. »Oder einen Trauerflor? Damit die Leute daran erinnert werden?«
»Es tut mir wirklich leid«, flehte Lorcan, doch Juliet regte sich immer mehr auf.
»Vielleicht aber auch eine dieser kleinen Schleifen. In Schwarz?«
Er hob abwehrend die Hände. »Es reicht. Ich hab’s verstanden.«
Juliet fühlte sich auf einmal wie leer. »Ben ist nicht hier gestorben, wenn du das mit dem fröhlichen Haus gemeint hast. Er ist um die Ecke auf der Straße gestorben.«
Plötzlich merkte sie, dass sie die Keksdose fest an ihre Brust presste. Irgendwann einmal hatte sie die Dose für die vielen Kondolenzbesucher täglich aufgefüllt und Schokoladenkekse wie eine Opfergabe hineingekippt, damit die Gäste etwas zu tun hatten, wenn ihnen die tröstenden Worte ausgingen.
Hör auf damit, befahl sie sich und nahm den Deckel der Dose ab. »Kekse?«
»Danke.« Lorcan gab sich keine Mühe mit der »Nein, eigentlich darf ich nicht«-Floskel, sondern nahm gleich drei auf einmal. »Warst du lange verheiratet?«
»Fünf Jahre.« Juliet drückte die Teebeutel am Kannenrand aus, da sie zu ungeduldig war, um darauf zu warten, bis der Tee fertig war. Nachdem ihre Verbitterung wie eine Eiterbeule aufgeplatzt war, hatte sie keine Lust mehr, noch länger mit diesem lebendigen Mann Smalltalk über ihren verstorbenen Ehemann zu betreiben. Der Tod war genauso schrecklich wie ihre seltsame Single-aber-doch-auch-wieder-nicht-Single-Situation. In Lorcans Gegenwart fühlte sie sich irgendwie unbehaglich, und das ärgerte sie.
Juliet überlegte gerade angestrengt, wie sie die ganze Hausbesichtigung beschleunigen konnte, als Lorcan hüstelte.
»Gibt es Pläne für die Küche?«, fragte er. »Sollen hier frei stehende Küchenblöcke entstehen? Oder willst du lieber eine Einbauküche?«
Juliet sah auf und entdeckte, dass Lorcan ein Notizbuch wie einen Skizzenblock aufgeschlagen hatte und nun methodisch die gesamte Küche unter die Lupe nahm. Dabei bewegte er den Kopf so ruckartig wie ein Vogel, als er die Details begutachtete.
»Die Wände müssen abgeschliffen und angestrichen werden. Wandkacheln müssen angebracht werden. Was hattest du für den Boden vorgesehen?« Lorcan hielt mit seinen Kritzeleien inne und hob die Augenbraue.
»Ich …« Juliet verstummte. »Ich weiß es nicht.«
Sie hatten sich nie über den Küchenboden unterhalten. Bens Entwürfe für den Garten waren bis ins kleinste Detail ausgereift, aber
Weitere Kostenlose Bücher