Liebe kommt auf sanften Pfoten
Ausrufezeichen und strahlende Lächeln zu viel. Oder war sie vielleicht nur noch an die schweigende Gesellschaft der Tiere gewöhnt, die keine Ausrufezeichen kannten?
Wahrscheinlich lag es daran, dachte sie und folgte Louise nach oben.
Toby ließ sich widerstandslos hinlegen, und leise zogen sich Juliet und Louise aus dem abgedunkelten Kinderzimmer zurück.
»Ich rufe dich zwischendurch mal an, ob auch alles okay ist«, flüsterte Louise, als sie sich ihre Bolerojacke anzog, die hervorragend zu dem Kleid passte. Wahrscheinlich waren beide als ein »Ensemble« gekauft worden. Louise kaufte immer nur Ensembles und liebte es, Kleidungsstücke zu kombinieren. Sogar in ihrem Erziehungsurlaub, als sie nur in ihren Sweaty-Betty -Yogahosen herumgelaufen war.
»Nicht nötig. Wir kommen schon klar. Einen schönen Abend!« Juliet fiel noch etwas Nettes ein. »Es ist schön, dass ihr mehr Zeit zusammen verbringt.«
Als Louise mit dem Hausschlüssel in der Hand in der Tür stand, hielt sie kurz inne. Plötzlich wirkte ihr Gesicht unter dem ganzen Make-up sehr verletzlich. »Wir sind nicht …«, flüsterte sie und verstummte dann. »Ich meine, Peter bezeichnet es als Date, aber wir …«
»Du darfst auch einmal einen schönen Abend haben und ausgehen«, erwiderte Juliet ernst. »Das Leben geht weiter, wie Mum immer sagt, wenn sie vergisst, dass sie das nicht mehr sagen soll.«
Es war zwar nicht das, was Louise gemeint hatte, und das wusste Juliet auch, aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, um dieses Thema zu vertiefen.
Louise kaute auf ihrer Lippe herum. »Es wird nicht spät.«
»Raus mit dir!«, rief Juliet und schob sie zur Tür hinaus, als das Taxi ein weiteres Mal hupte.
Wie sich herausstellte, war Babysitten deutlich weniger anstrengend, als auf Tiere aufzupassen.
Juliet machte es sich mit der Fernbedienung, einer Reihe Cola-light-Dosen, einem Stapel Hochglanzmagazine und dem Babyfon in Sichtweite auf Louises großem Ledersofa gemütlich. Dabei musste sie sich nicht einmal mit Toby unterhalten, wie sie es mit Hector oder den Cox-Katzen tat. Ab und an musste sie horchen, ob Toby noch atmete, aber das war’s auch schon.
Peter und Louise verfügten über das komplette Sky-Paket, sodass sich Juliet erst einmal eine halbe Stunde lang durch sämtliche Kanäle zappte, bevor sie merkte, dass sie das meiste davon schon bei den anderen Sendern gesehen hatte. Was ihr aber nichts ausmachte. Wie immer war es für sie schon Unterhaltung genug, sich in einem fremden Haus aufzuhalten. Nur dass es sich dieses Mal merkwürdiger anfühlte als sonst, weil auch sie auf den gerahmten Familienfotos abgebildet war, die über dem Telefontisch an der Wand hingen. Zumindest ihr altes Ich, als sie noch die eine Hälfte eines Pärchens gewesen war.
Juliet erhob sich schwerfällig vom Sofa, um die Bilderwand genauer unter die Lupe zu nehmen. Anders als die wild zusammengewürfelten Bilderrahmen an ihrer eigenen Schlafzimmerwand hatte Louise die Bilder eindeutig mit Hilfe einer Wasserwaage arrangiert. Zudem waren die Rahmen kunstvoll zusammengestellt worden – im Gegensatz zu Juliets bunter Mischung.
Auf einem Foto war sie mit Mum und Dad bei Louises Hochzeit zu sehen, auf der »Familie der Braut«-Seite, Ben neben sich, der den Arm um ihre Schulter gelegt hatte und vor Stolz strahlte.
Ben hatte bei der Hochzeit die Aufgabe gehabt, den Gästen ihre Plätze anzuweisen. Doch anders als Peters Freunde von der Uni hatte er sich keinen taubengrauen Stresemann geliehen. Stattdessen hatte er den hellblauen Leinenanzug getragen, den Juliet ihm gekauft und der viel besser zu ihrem schlichten sonnengelben Brautjungfernkleid gepasst hatte. Nur wenige Monate später hatte er ihn noch einmal zu ihrer eigenen, spontanen Hochzeit angezogen.
Na ja, als spontan konnte man die Hochzeit vielleicht doch nicht bezeichnen – nicht nach neun Jahren. Doch nach all den enorm komplizierten Spielen und Streichen, die an Louises und Peters großem Tag gespielt wurden, hatte Juliet beschlossen, dass sie ihren Eltern dies nicht noch ein zweites Mal antun konnte, zumindest nicht für eine Feier, die ohnehin nicht nach ihrem Geschmack war. So waren Ben und sie quasi durchgebrannt. Wenn sie den ganzen Hochzeitstag betrachtete, konnte sie sich am besten an den chaotischen, bunt zusammengewürfelten Brautstrauß erinnern, den Ben ihr an jenem Morgen mitgebracht hatte. Jede einzelne Blume darin hatte eine symbolische Bedeutung.
Ben mochte vielleicht kein sehr gebildeter
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