Liebe kommt auf sanften Pfoten
Mann gewesen sein, doch mit der Sprache der Blumen hatte er sich besser ausgekannt als jeder andere.
»Rosmarin, damit du dich immer an unsere glückliche Zeit erinnerst. Heliotrop für eine lebenslange Liebe. Eukalyptus, weil ich dich immer beschützen werde …«
Juliet schloss in Louises Wohnzimmer die Augen und hörte Bens Stimme, als er jede Pflanze einzeln in seine kräftigen Finger nahm, um sie ihr zu zeigen. Dabei hatte sie seinen offenen, ehrlichen Blick, in dem seine Liebe zu ihr deutlich zu erkennen war, klar vor Augen. Automatisch wanderte ihr Daumennagel an die Stelle, an der sich bis vor Kurzem noch ihr Ehering befunden hatte – bis sie dessen täglicher Anblick zu sehr geschmerzt und sie ihn abgenommen hatte.
Alle anderen hatten es nicht fassen können, doch sie konnte es nicht mehr länger ertragen, andauernd daran erinnert zu werden, dass sie und der Ring immer noch da waren, während die andere Hälfte des Ehepaars nicht mehr am Leben war. Vielleicht bin ich am Jahrestag stark genug, dachte sie, um den Ehering wieder zu tragen. Vielleicht an einer Kette um den Hals.
Das Babyfon knisterte, und sofort war Juliet wieder bei der Sache und lauschte, ob ein Weinen zu hören war.
Nichts. Vielleicht sehe ich doch besser mal nach, dachte sie und zog ihre Schuhe aus, um so leise wie möglich nach oben zu schleichen.
Auf dem Weg nach oben fand sie noch mehr fotografische Beweise, die es zu entdecken und zu genießen gab: Louises Universitätsmannschaft im Netball und Louise im Debattierclub, alles in goldenen Rahmen und säuberlich beschriftet. Auch Peters Bilder. Er war Mitglied im Bridge- und im Badmintonclub, beim Orientierungslauf sowie in sämtlichen Jugendteams, bei denen er in allen möglichen heiklen und ungünstigen Posen auf den diversen Spielfeldern der Universität von Oxford abgelichtet worden war.
Obendrüber hingen Louises Gymnastikzertifikate aus der Schule vom britischen Amateursportverband, die ebenfalls aufwendig gerahmt waren (ein Weihnachtsgeschenk von Diane und Juliet) und die »Hall of Fame« damit abrundeten. Weder Louise noch Peter waren für Ironie zu haben, deswegen war der Witz der Goldrahmen leider verpufft. Ein wenig irritiert hatten sie sich für die Rahmen bedankt und sie zu den restlichen Zertifikaten gehängt.
Bei ihrem Anblick fühlte Juliet sich ein wenig unbehaglich. Es hatte eigentlich ein liebevoller Scherz sein sollen, aber möglicherweise hatte Louise es als puren Sarkasmus aufgefasst? Als Gemeinheit sogar? Da Juliet allein hier war, war es fast verlockend, die Rahmen abzunehmen. Besser wäre es vielleicht noch, zu Louise hinzugehen und ihr zu sagen: »Weißt du eigentlich, wie sehr wir dein Leistungsstreben bewundern? Wie du das, was du dir vornimmst, einfach machst und abhakst?« Aber seit ihrem großen Streit hatte Juliet das Gefühl, dass Louise aus allem, was sie sagte, eine zweite oder dritte Bedeutung herauszulesen versuchte. Die Kluft zwischen ihnen wuchs von Tag zu Tag.
Besonders traurig war die Tatsache, dass sie sich entzweit hatten, nachdem sie sich ein paar Monate lang so nah wie nie zuvor gewesen waren – nach den beiden Hochzeiten, nachdem Louise Toby zur Welt gebracht hatte und auch sie und Ben darüber nachgedacht hatten, eine Familie zu gründen. Der Mutterschaftsurlaub war Louise gut bekommen; sie war in allem lockerer geworden, aß Brot und sah tagsüber fern. Als Juliet und Ben ein wenig stürmische Zeiten durchmachten, war es ihr wie das Natürlichste der Welt vorgekommen, mit ihrer großen Schwester darüber zu sprechen. Dann aber hatte Louise zu tief ins Weinglas geschaut und ihre eigene Bombe platzen lassen.
Die Erinnerung daran ließ Juliet zusammenzucken. Louise hatte ihr gestanden, dass sie sich verliebt hatte und die Sache allmählich aus dem Ruder geriet. So etwas von Frau Superkorrekt in Person zu hören, war an sich schon bizarr genug, doch Louise hatte so ausweichend auf die Frage nach der betreffenden Person und den Orten, wo sie sich getroffen hatten, reagiert, dass Juliet die Vermutung gehegt hatte, dass es sich bei Louises Objekt der Begierde um eine Person handelte, die sie kannte.
Louise gab vor, unter der Situation zu leiden, doch der fieberhafte Glanz in ihren Augen hatte eine vollkommen andere Louise gezeigt, nicht die ruhige, vernünftige Ehefrau und Mutter, die Juliet kannte. Dies hatte sie zutiefst beunruhigt. Sie war diejenige, die hergekommen war, weil sie in großer Sorge war wegen der Risse in ihrer von allen
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