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Liebe, lebenslänglich

Liebe, lebenslänglich

Titel: Liebe, lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula von Arx
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Worte noch lange nach. Und so, sagt Ingeborg Lüscher, sei es zum für ihre Beziehung sehr wichtigen »Wasserpakt« gekommen: Sie standen gerade im Wasser, als Una wieder mal von einem ihrer Anfälle heimgesucht wurde. Da habe sie ihre Hand genommen und gesagt: »Du wirst es schaffen, Una! Wenn du merkst, es kommt wieder dieser Zorn hoch, dann denke an mich und erinnere dich, wie sehr es mir wehtut, dann kühlst du runter.« Das habe lange funktioniert. Als die Wutanfälle wieder zahlreicher geworden seien, hätten sie einen zweiten Pakt geschlossen, am Fenster diesmal, den »Fensterpakt« also. Mit Hilfe dieser zwei Pakte habe Una es geschafft, ihre Ausbrüche zu kontrollieren und ihrem Furor nicht mehr hilflos ausgeliefert zu sein.
    Noch eine kurze, schwierige Phase mit Una fällt Ingeborg Lüscher ein. Sie musste wegen eines Rückenleidens von einem Tag auf den anderen für drei Monate ins Krankenhaus. Als sie wieder nach Hause kam, traf sie auf ein völlig verändertes, traumatisiertes Kind. Alles war mit Ärger verbunden, bis hin zum Zähneputzen. Tage später gingen sie gemeinsam an den Strand.
    Una sagte zu ihr: »Wenn dein Kind jetzt das herzallerliebste Jesulein wäre, würdest du es dann mehr lieben als mich?«
    »Nein«, antwortete da Ingeborg Lüscher, »ich werde dich immer am meisten lieben.«
    Una: »Mama, ich habe gehofft, dass du das sagen würdest.«
    Danach, sagt Ingeborg Lüscher, sei Una wieder die Alte gewesen. Und dass ihr genau diese zwei Dinge in der Erziehung wichtig gewesen seien: »Dass meine Tochter erfährt, was Liebe ist, und dass sie erfährt, was Mitgefühl ist.« Sie habe dies vorgelebt und sei ihrem Kind immer, in jeder Situation, mit Liebe und Verständnis begegnet. Das würde sie, bei allen Fehlern, die ihr bestimmt unterlaufen seien, vorbehaltlos wiederholen.
    Una Szeemann erlebte die Hingabe ihrer Mutter als gegeben. »Ich bin, die ich bin, durch meine Mutter«, sagt sie heute zwar, doch dann spricht sie nicht von deren Liebe, sondern von sozial genährten Eigenschaften wie intellektueller Offenheit und Kreativität: »Das kam immer gut an. Auch bei meinem Vater. Man musste neugierig sein und originell. Mit kleinen Theateraufführungen und so.«
    Dem Leben gewunden und gekrümmt wie eine Brezel zu begegnen war bei einer so hochgestimmten Mutter undenkbar. »Sie gab mir dieses Gefühl von Freiheit: Man kann alles versuchen«, sagt Una Szeemann und nennt Ingeborg Lüscher »eine Sonnengöttin«, die den Blickwinkel so weit wie nur möglich stelle und die ihr beigebracht habe, dass man sich immer wieder lösen müsse vom immer wieder nachwachsenden Korsett, in das man sich selber stecke. Ihre Mutter hat ihr auch beigebracht, wie man mit Fantasie und Magie Distanzen überwindet und Abwesenheit in Anwesenheit verwandelt: »Als sie nach Australien zur Biennale eingeladen war, war Telefonieren noch exorbitant teuer. Also telefonierten wir telepathisch. Jeden Abend um zehn Uhr meine Zeit legte ich mich aufs Bett und konzentrierte mich. Sie tat das Gleiche in Australien. So blieben wir in Kontakt.« Selbstverständlich habe auch ihre Mutter Ängste und Bedenken, aber mit ihrer Fröhlichkeit stecke sie Hindernisse schnell weg. Es liege in ihrer Natur, sich dem zuzuwenden, was verbindet. Währenddessen es in ihrer, also Una Szeemanns Natur liege, sich ebenso dem zuzuwenden, was trennt.
    Mit Eifer tat sie das während der Pubertät. Una ließ die Schule schleifen, sie wurde ekelhaft, unordentlich, ließ die Pflanzen in ihrem Zimmer vertrocknen. Ihre Mutter blieb auch da ihrer liebevollen Art treu, sie habe in Gesprächen versucht, die Zonen zu erreichen, die in ihrem Inneren durcheinandergeraten seien.
    Der Vater reagierte anders. Er sah, dass Una sich schminkte und sich selbst nicht forderte. Er hatte sie im Verdacht, oberflächlich und gewöhnlich zu sein, und gab ihr zu verstehen, dass er unzufrieden sei mit ihr. Seine Verachtung hielt er nicht zurück. Die Tochter erklärt sich die damalige Strenge ihres Vaters heute psychologisch: »Er war ein Mann mit sehr klaren Werten. Es war für ihn immer ein Problem, dass er seine erste Frau, mit der er zwei Kinder hatte, verlassen hat. So was macht man nicht. Er fühlte sich schuldig. Und ich war sozusagen das Produkt seines Fehlverhaltens. Das verzieh er mir lange nicht.«
    Allerdings mutete sie ihm tatsächlich das eine oder andere zu. Als sie zum Beispiel einmal verliebt war, wollte sie das Haus nicht mehr verlassen – aus Sorge, einen

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