Liebe, lebenslänglich
Vater.
Viel schwieriger war es, seinen Partner zu überzeugen, der Homosexualität fraglos mit Kinderlosigkeit verband. Frédéric Carrière brauchte mehr als zehn Jahre, bis er Peter Degenkolbe begreiflich machen konnte, dass sich sein Gefühl, ohne Kinder das Leben zu verfehlen, nicht verflüchtigen würde: »Ich wusste, wenn Peter einmal ja gesagt hat, dann heißt das auch ja. Er macht keine halben Sachen.« Er erfuhr erst später, dass Peter Degenkolbe damals nur zugestimmt hatte, weil er überzeugt war, das Unternehmen werde scheitern. Inzwischen sagt sein Partner: »Ich liebe die Kinder über alles.«
Sie zogen Adoption in Betracht. Ein europäisches Kind zu bekommen war aussichtslos. Vor den Herausforderungen mit einem Kind aus einem anderen Teil der Welt hatte Frédéric Carrière großen Respekt. Was, wenn es ein Verhalten zeigt, das man nicht verstehen kann, weil die Gründe dafür in seiner Vergangenheit liegen, die einem unbekannt ist? Er habe dann auch festgestellt, dass es ihm wohl doch ein Bedürfnis sei, sich in seinen Kindern irgendwie zu spiegeln. An Félix zum Beispiel entdeckt er seine Augen: »Er hat den Carrière-Blick.« Und es freut ihn zu sehen, dass Paula seine braune Haar- und Augenfarbe hat und die Haut seiner Mutter: »Wie sie überhaupt viel von meiner Mutter hat: die Gesten, die Neugier, das Theatralische manchmal.«
Als Nächstes spielte Frédéric Carrière die Möglichkeit durch, sich eine Leihmutter zu nehmen. Das ist in Deutschland allerdings illegal, dazu hätte er in die USA gehen müssen. Er las die Empfehlung, dass Eizellenspenderin und Leihmutter am besten nicht identisch seien, weil dann vor dem Gesetz keine von beiden den vollen Anspruch aufs Kind erheben könne, sollte es Streitigkeiten geben. Frédéric Carrière stellte sich vor, dass er diesen Rat befolgen und sein Kind ihn eines Tages fragen würde, wer seine Mutter sei. »Wie hätte ich da antworten sollen?«
Nun überlegte er, sich in Asien eine Frau zu suchen und sie nach Europa zu holen und pro forma zu heiraten. Sie hätte im Haus wohnen können, das er sich inzwischen mit seinem Mann gekauft hatte, kein Problem. Doch das Arrangement wäre klar: »Du trägst mein Kind aus, lieben tu ich einen anderen.« Frédéric Carrière kam zum Schluss, dass dies »ein Akt der Unmenschlichkeit« wäre.
Was nun? In der ihm ausweglos scheinenden Situation fing er an, Anzeigen in Zeitungen zu schalten: »Gesucht: Frauenpaar mit Kinderwunsch.« Jemand meldete sich: »Aber die beiden waren wie Omas.« Ein weiteres Mal schöpfte er Hoffnung, als ein amerikanischer Freund ihn und seinen Partner zum Abendessen eingeladen hatte. Da saßen auch zwei Frauen am Tisch, Britinnen, Typ forsche Unternehmerinnen. Die eine habe ihre Karten gleich auf den Tisch gelegt: »Sie würde mich als Samenspender in Betracht ziehen, sie wolle das alleinige Sorgerecht, ob ich damit einverstanden sei.« Über die Initiative schwuler und lesbischer Eltern, die im Jahr 2000 gegründet worden war, lernte Frédéric Carrière dann mehrere Kandidatinnen kennen. Noch immer war es nicht einfach. Eine der Frauen schien ihm als potenzielle Mutter seiner Kinder zu unvernünftig, weil sie sich ans Steuer setzte, obwohl sie getrunken hatte. Eine andere war ihm zu esoterisch, weil sie die Kristallkugel befragte. Eine dritte war ihm zu unbestimmt, was ihre Sesshaftigkeit betraf.
Auch die erste Begegnung mit Suzanne und ihrer Partnerin Constanze war ein nüchternes Abwägen. Man traf sich wie zu einem Bewerbungsgespräch. Die beiden waren damals 32 und 31 und lebten in der Nähe, im von Lahr zwanzig Kilometer entfernten Offenburg, das war ein Pluspunkt. Außerdem wohnten auch ihre Eltern in der Umgebung, was die Wahrscheinlichkeit, dass die Frauen eines Tages das Weite suchen würden, verkleinerte. Sie schienen ihm bodenständig zu sein in ihren Ansichten und in ihren Berufen, Suzanne ist Heilpädagogin und Constanze Physiotherapeutin, sie setzten sich nicht unnötig Gefahren aus, was man daran sehen konnte, dass diejenige, die trank, nicht fuhr. Sie waren alles in allem sympathisch, befand Frédéric Carrière, und auch Peter Degenkolbe hatte keine grundlegenden Einwände.
Die Frauen sagten, sie hätten sich schwule Väter anders vorgestellt. Frédéric Carrière weiß bis heute nicht, was genau sie damit meinten. Und Suzanne, die treibende Kraft und diejenige, die das Kind austragen würde, musste sich mit dem Gedanken anfreunden, es mit dem Vater zu teilen. Nach
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