Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe, lebenslänglich

Liebe, lebenslänglich

Titel: Liebe, lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula von Arx
Vom Netzwerk:
Taufpate werden? Eine Frage, die sich viel heikler erwies, als Frédéric Carrière vermutet hätte, und die zeigt, wie offen und definitionsbedürftig die Rollen eines jeden in dieser Vier-Eltern-Konstellation sind. Er schlug Constanze und Peter vor, also Co-Mutter und Co-Vater. Constanze aber lehnte ab. Sie sei mehr für Paula als nur Taufpatin, sagte sie, sie würde sich durch dieses Amt in ihrer Rolle degradiert fühlen. Suzanne wiederum konnte nicht einsehen, wieso Peter unbedingt Taufpate werden wollte, Taufzeuge schien ihr angemessen. Da wiederum hat Frédéric Carrière sich gewehrt. Er empfand das als Degradierung seines Partners. Peter ist jetzt Taufpate und eine Bekannte der Frauen ist Taufpatin.
    Wo ihre Eltern Probleme sehen, sieht die neunjährige Paula glasklare Verhältnisse. Sie macht den Eindruck vollendeter Ehrlichkeit und vollendeter Diplomatie zugleich. Ich frage sie, wer die wichtigste Person sei in ihrem Leben. Sie fragt, ob sie nur eine nennen dürfe, das könne sie nämlich nicht. Ich sage, nein, sie könne so viele nennen, wie sie wolle, solange sie ihr gleich wichtig seien. Sie sagt, gut, in ihrem Leben gebe es fünf wichtigste Personen, sie zähle sie jetzt auf, die Reihenfolge bedeute nichts, es seien ihr wirklich alle gleich wichtig.
    Da sei Félix, ihr kleiner Bruder. Das schönste Erlebnis in ihrem Leben sei gewesen, als er geboren worden sei. Er nerve, wenn er ihre Sachen kaputt mache, aber er sei auch sehr süß.
    Da sei Suzanne, sie nenne sie Mama, sie sei ihre richtige Mutter, sie sei homosexuell und verheiratet mit Mami. Mama sei nett, manchmal ein bisschen stur, wie Mütter halt so seien. Man könne mit ihr nicht so gut verhandeln, wenn man etwas wolle, dann sage sie: Nein, wir müssen ja jetzt unser Dach reparieren. Sie treibe ihre Mutter manchmal zum Wahnsinn, wenn sie zu neugierig sei und Dinge wissen wolle, die sie nichts angingen.
    Dann sei da Constanze, also Coni, sie nenne sie Mami, sie sei ihre Co-Mutter, homosexuell und mit ihrer richtigen Mutter verheiratet. Sie sei nett, manchmal brülle sie vielleicht ein bisschen schnell herum. Man könne sie leicht provozieren, wenn man sie ins Gesicht fasse, das möge sie gar nicht.
    Da sei Peter, sie nenne ihn Pepe, er sei homosexuell und ihr Co-Vater und mit ihrem richtigen Vater verheiratet. Er sei nett. Er würde mit ihr Französisch reden, obwohl es nicht seine Muttersprache sei, seine Muttersprache sei Deutsch, doch er mache es, damit sie es lerne.
    Und da sei Frédéric, sie nenne ihn Papa, er sei ihr richtiger Vater, homosexuell und mit Pepe verheiratet, er sei nett und man könne gut mit ihm verhandeln, beim Fernsehschauen zum Beispiel. Er erfülle einem die Wünsche. Zum Beispiel habe sie sich eine Reise nach Paris gewünscht, und sie werde eine Reise nach Paris kriegen. Er rede mit ihr nur Französisch, und er bringe ihr das französische Schreiben bei.
    Zu hören, dass die Mütter in Paulas Augen strikter und weniger diskutierfreudig sind als sie, die Väter, müsste Frédéric Carrière eigentlich erstaunen und vielleicht sogar beruhigen. Er hegt nämlich den Verdacht, dass es den Frauen manchmal an Konsequenz fehle, dass sie zu viel redeten und zu wenig forderten, dass sie die Kinder auf der Diskussionsebene einerseits schon als Erwachsene behandelten, ihnen andererseits aber alles Mögliche durchgehen ließen, das deutsche Modell eben. Während er mit seinem Partner zusammen eher die französische Erziehung verkörpere – man lege also Wert auf Manieren, man verlange, dass die Kinder die Eltern als Autorität respektieren, dass sie ein Nein als Nein entgegennehmen und die Eltern nicht endlos mit Warum-und-Warum-nicht-Fragen belästigen.
    Wie auch immer Paulas Bild vom Erziehungsstil ihrer Eltern mit der Wirklichkeit zusammengeht, Frédéric Carrière ist überzeugt, dass die unterschiedlichen Welten und Kulturen, die seine Tochter in ihren zwei Elternhäusern erlebt, ihr auf lange Sicht zum Vorteil gereichen: »Sie wird wendig sein und sehr anpassungsfähig.«
    Die Schwierigkeiten und Hänseleien, unter denen Paula aufgrund ihrer speziellen familiären Situation manchmal in der Schule zu leiden hat, verdrängt er nicht. Er versucht sich in sie hineinzuversetzen. »Ich war miserabel im Sport und Brillenträger. Und dann war ich auch noch schwul.« Er sagt, er habe lange das Gefühl gehabt, nicht richtig zu ticken. Über seiner ganzen Jugendzeit hängt schwer ein Satz seiner Eltern: Das Schlimmste, was ihnen

Weitere Kostenlose Bücher