Liebe, lebenslänglich
Partner, dem es noch schwerer fällt zu teilen als ihm, schlug damals vor, dass man die Kinder trennen solle, ein Paar würde das erste Kind zu sich nehmen, das andere Paar das zweite. Da wurde er jedoch überstimmt, drei zu eins. Die Geschwister sollen zusammen aufwachsen.
Und so rechnet Frédéric Carrière damit, dass die Zeitzuteilung sie alle noch eine Weile beschäftigen wird. Sie war von Anfang an brisant. Er erinnert sich an die Zeit, als Paula frisch geboren war. Während des ersten Jahres konnte er seine Tochter nur stundenweise sehen, denn das Kind wurde gestillt. Die Frauen hätten Paula bei ihm vorbeigebracht, und sobald sie schrie, musste er Suzanne anrufen, komm bitte, das Kind will trinken. Er entwickelte Ungeduld und Unverständnis. »Warum pumpst du die Milch nicht ab?«, fragte er. Weil die Gefahr bestehe, dass das Kind dann nicht mehr von der Brust trinken wolle, antwortete Suzanne. »Wie lange willst du denn noch stillen?« Er hatte die Säugerei so satt.
Derzeit laufen die Verhandlungen wegen der Sommerferien. Die erste Woche mit ihnen, dann drei Wochen mit den Müttern und die letzten zwei Wochen wieder mit ihnen, das wäre der Vorschlag der Väter. Die Frauen vertreten die Meinung, für den dreijährigen Félix seien drei Wochen innerhalb von sechs Wochen eine zu lange Zeit, um von ihnen getrennt zu sein. »Sie wollen uns die erste Woche nicht ganz geben, da machen sie uns Stress.«
Dennoch würde Frédéric Carrière ihrer Streitkultur ein ganz passables Zeugnis ausstellen. Er finde die Argumente der Frauen zwar nicht immer einleuchtend, doch immerhin versuchten sie, ihre Überlegungen nachvollziehbar zu machen und einen nicht einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das wisse er zu schätzen, sagt er, und auch, dass man darauf vertrauen könne, dass ein gefasster Beschluss umgesetzt würde.
Frédéric Carrière glaubt, dass ihr Arrangement im Vergleich zu geschiedenen Paaren insofern von Vorteil sei, als bei ihnen keine alten Rechnungen auf dem Rücken der Kinder beglichen würden. Er hätte zwar nie Liebe für die biologische Mutter verspürt, aber eben auch nie Hass. »Wenn wir streiten, dann geht es einzig ums Wohl der Kinder beziehungsweise darum, was jeder dafür hält.«
Das war bestimmt so, als es ums Impfen ging. Suzanne sei Impfskeptikerin, sagt Frédéric Carrière, er ein klarer Befürworter. Der Kompromiss lief darauf hinaus, Paula zwar zu impfen, aber den Zeitpunkt möglichst herauszuschieben. Das dürfte auch so sein, sobald es um die Frage geht, ob man Paula wegen ihrer Einschlafprobleme zu einer Psychologin schicken soll oder nicht. Suzanne habe da die Initiative ergriffen, ihm sei das zu schnell gegangen. Er sehe die Gefahr, Paula unnötig zu pathologisieren. Außerdem habe sie das Problem nie, wenn sie bei ihm sei. Wobei das auch daran liegen könnte, dass sie bei ihm nicht dem Schulstress ausgesetzt sei, der ihr offenbar zusetze, obwohl sie eine exzellente Schülerin sei. Sie habe enorm hohe Ansprüche an sich selbst, was weder von ihm noch von Peter komme, und auch nicht von den Frauen, da sei er überzeugt.
Zu solchen konkreten Alltagsfragen kommen rechtliche Probleme hinzu. Paula trägt den Namen des Vaters, das konnte Frédéric Carrière bei der Geburt durchsetzen. Ums gemeinsame Sorgerecht jedoch kämpfte er fast neun Jahre lang. Unglücklich ist er zudem über den Status seines Partners. Vor dem Gesetz sei er für Paula ein Fremder, obwohl er sich genauso um ihre Erziehung kümmere und eine ebensolche Nähe zu ihr habe wie er, sagt Frédéric Carrière, der mit Peter Degenkolbe am 19. Juli 2001 den französischen zivilen Solidaritätspakt geschlossen hat und seit dem 19. Oktober desselben Jahres mit ihm auch in einer Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht lebt.
Auch die Kirche macht es nicht einfach. Paula wollte nicht abseitsstehen, als die anderen Kinder ihrer Klasse sich auf die heilige Kommunion vorbereiteten. Doch um teilnehmen zu können, musste sie getauft sein. Wer aber tauft ein Kind, dessen Eltern schwul, lesbisch, unverheiratet und aus der Kirche ausgetreten sind? In Deutschland kaum jemand. In Frankreich störten sich die Geistlichen nicht daran, dass Frédéric Carrière in Deutschland aus der homophoben katholischen Kirche ausgetreten war. Als in Nancy geborener Katholik galt er immer noch als Mitglied der französischen Kirche. Und so fand er einen Priester im Elsass, der bereit war, Paula zu taufen.
Und wer sollte Taufpatin und
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