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Liebe, lebenslänglich

Liebe, lebenslänglich

Titel: Liebe, lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula von Arx
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Ängsten setzt er die Entschlossenheit entgegen, mit der er sich in der Vorläufigkeit einrichtet. Er hält an seiner freiberuflichen Tätigkeit als Journalist und Schriftsteller fest, alle Angebote zur dauerhaften Sicherung seiner Verhältnisse hat er ausgeschlagen. Er hatte nie einen anderen Chef als sich selbst, er ist keine Verpflichtungen eingegangen gegenüber einer Frau oder Kindern. »Unreif, ungeplant, unfertig, das ist ein guter Zustand«, sagt er. Der Unterschied zur Welt seines Vaters könnte größer kaum sein. »Es ist der Gegensatz, der dich bestimmt«, sagt Arno Orzessek.

KURZE BEINE,
GROSSES HERZ
    Sofia Hefti (17) ist kleinwüchsig. Ihre Mutter Regula Mattmüller (45) war nach der Geburt zuerst schockiert und dann traurig. Es war vor allem ihre Tochter, die sie gelehrt hat, wie man das Leben mit einer behinderten Tochter meistert.
    Sie trug entschieden praktische Kleider und zelebrierte ihren langen, schmalen Mannequinkörper auch sonst nicht speziell, mit Gelassenheit führte sie ihn durch Zürichs Straßen. Sie bemühte sich nicht, die Blicke auf sich zu ziehen, und zog sie vielleicht gerade deshalb auf sich. Mir jedenfalls fiel sie auf.
    Das Mädchen fiel auch auf. Es war viel kleiner als seine Schulkameradinnen. Es hatte überdurchschnittlich kurze Beine und Arme, einen vergleichsweise kurzen Hals und einen großen Kopf mit vorgewölbter Stirn.
    Dann begegnete ich den beiden zusammen und begriff, sie waren Mutter und Tochter. Ihre Gegensätzlichkeit stach hervor, aber ebenso ihre Leichtigkeit, man sah sie oft gemeinsam lachen.
    Als Regula Mattmüller am 24. Mai vor siebzehn Jahren zur Entbindung ins Spital fuhr, fühlte sie sich unbeschwert und entspannt. Die Schwangerschaft war problemlos verlaufen. Sie war 28 Jahre jung und gesund, sie glaubte zu wissen, was auf sie zukam, sie hatte ja schon einen Sohn geboren. Man legte ihr dann ihre Tochter in die Arme. Ihr fielen die Schenkel auf, sie dachte, wie süß, Sofia hat so richtig üppige Frauenschenkelchen. Erst später bemerkte sie, dass dieser Eindruck von der überschüssigen Haut herrührte, die normal gewachsen war im Unterschied zu den Knochen.
    Bald kam ein Assistenzarzt und sagte, Sofias Reflexe seien schwach. Irgendetwas stimme nicht, man müsse abklären, was genau, die dafür zuständigen Ärzte seien jedoch bereits im Pfingstwochenende. Die Angst ergriff Regula Mattmüller: »Der ganze Film lief da ab. Die wildesten Befürchtungen.« Sie zog Sofia einen Pyjama an und betrachtete den überflüssigen Stoff um Arme und Beine, und sie versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn ihr Kind das Laufen nie lernen könnte. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn die Arme ihrer Tochter nicht genug wachsen würden, um sich selber die Haare waschen zu können. Ihr damaliger Mann kam zu Besuch mit ihrem zweijährigen Sohn, der eifersüchtig war auf seine kleine Schwester und ohne Ende quengelte. Das auch noch. Es wurde für Regula Mattmüller ein langes, verzweifeltes Wochenende, und darauf folgte ein schwieriges erstes Jahr, in dem sie sich oft alleine fühlte: »Es ging mir nicht so gut.«
    Sofia litt unter sogenannten Dreimonatskoliken und weinte viel in dieser Zeit. Sie musste zahlreiche Untersuchungen über sich ergehen lassen, oft ins Spital. Einmal hatten die Ärzte den Verdacht, der Kopf wachse zu schnell im Verhältnis zum Körper, was zum Glück nicht zutraf. Bei Sofia war Achondroplasie diagnostiziert worden, eine Störung der Knorpelbildung, die zu Kleinwuchs führt und zu Gliedmaßen, die zu kurz sind im Verhältnis zu Rumpf und Kopf. Ihre Tochter würde höchstens 140 Zentimeter groß werden, sagten die Ärzte.
    Das machte Regula Mattmüller traurig. Es machte sie traurig, dass ihre Tochter infrage gestellt und angestarrt werden würde, weil sie der Norm nicht entsprach. Es machte sie traurig, dass Sofia außergewöhnlich stark würde sein müssen, um Blicken und dem Mitleid der anderen standzuhalten. Und es machte sie traurig, dass auch sie als Familie immer auffallen würden. Sie fragte sich, wie sie diesem Kind helfen konnte, sich als richtig zu empfinden, obwohl andere es oft nicht so sehen würden. Wie sie ihm helfen sollte, Selbstvertrauen zu finden, wo es ihr selber fehlte.
    Sie erinnert sich, wie kurz nach Sofias Geburt eine halbindische Krankenschwester zu ihr ins Zimmer kam, um ihr Orangeblütentee zu bringen, und wie diese sagte, Kinder würden sich ihre Eltern selber auswählen, Sofia sei zu ihr gekommen, weil sie

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