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Liebe, lebenslänglich

Liebe, lebenslänglich

Titel: Liebe, lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula von Arx
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Rahmen dieses Buches über ihr Verhältnis zu sprechen.
    Er sei ganz leicht zu erkennen, schreibt William Krause in einer Mail, er trage einen rothaarigen Ziegenbart und kurze, blonde Haare. Als Treffpunkt wählt er einen neutralen Ort, die Campus-Suite am Europaplatz in Kiel. Während rund zwei Stunden wird er alle meine Fragen höflich und mit Sorgfalt beantworten, ausuferndes Erzählen liegt ihm fern. Das Wörtchen »ich« vermeidet er nach Möglichkeit. Er verpackt sein Ich gern im allgemeinmenschlichen »man«. Das Verhältnis zu seiner Mutter beschreibt er zum Beispiel so: »Man weiß, was der andere macht. Wie es dem anderen geht, das erfährt man eher nicht.« Und: »Ideal wäre anders. Aber unsere Beziehung war immer schon so. Man gewöhnt sich daran.« Er habe seit zwei Jahren eine Freundin, mit der er glücklich sei, und er pflege zu Freunden eine eindeutig leidenschaftlichere Beziehung als zu seinen Eltern. »Für mich ist das okay«, sagt er. Und er ist überzeugt, dass auch seine Mutter ihre Distanz nicht als Problem empfindet. Von ihrem Kummer ahnt er nichts. Keinesfalls möchte er den Kontakt zu ihr verlieren, das lässt er ihr auf diesem Wege ausrichten, denn: »Die Mutter ist wichtig. Nicht in jeder Lebenslage gleich, aber wichtig. Ich liebe meine Eltern, ich liebe meine Mutter.«
    Man muss William Krause fast drängen, wenn er erklären soll, warum er die Begegnung mit seiner Mutter so selten sucht. Es fehle wohl einfach das Bedürfnis. »Und man geht ja sparsam um mit seinen Ressourcen.« Für ihn heißt das, Unstimmigkeiten aus dem Weg zu gehen, wenn sie ihm unlösbar erscheinen.
    Ihm ist beispielsweise bewusst, dass seine Mutter sich Sorgen macht um ihn. Was ist mit deinem Studium, wann beendest du es? Diese Fragen wälzt sie mit ihm und wohl auch ohne ihn. Er hat mehrmals versucht, sie zu beruhigen: »Ich selber mache mir keine Sorgen, also musst auch du dir nicht den Kopf zerbrechen.« Der Erfolg seiner Worte war gering. Er sieht keine Möglichkeit, sich ihr verständlich zu machen. Also hat er aufgehört, sich um Vermittlung zu bemühen. Seine Mutter weiche kein Jota von ihrer Sichtweise ab, er empfindet sie als starrköpfig und als übergriffig, denn sie glaube zu wissen, was für andere gut sei. Sie erinnert ihn an manche Eltern im Hochseilgarten, wo er als Erlebnispädagoge sein Geld verdient. Die überschwemmen ihre Kinder von unten mit Ratschlägen, obwohl sie sich selber auf dem sicheren Boden befinden und also keine Ahnung haben können, wie man sich oben in der Luft fühlt.
    Ihre Nervosität um seine Zukunft erklärt sich William Krause auch mit der mütterlichen Wesensart. Seine Mutter sei sehr emotional, sie unternehme alles, um bei sich und anderen Gefühle hervorzuholen, Gefühle seien in ihren Augen ein Zeichen von Menschlichkeit. »Meine Mutter will sich Sorgen machen. Das ist ihre Art, unsere Beziehung am Leben zu erhalten«, sagt William Krause, der sich als gegensätzlich zu ihr charakterisieren würde, als ruhig nämlich, harmoniebedürftig und gelassen. Gelassen bleibt er auch beim Thema Anerkennung: »Man freut sich, wenn die Mutter stolz auf einen ist. Aber man kann auch ohne leben.«
    Tatsächlich ist Petra Krause-Wloch nicht stolz auf ihren Sohn. »Dazu müsste er sein Sportstudium abschließen«, sagt sie. William sei 37 und habe nur Abitur. Sie lerne zwar immer mehr Leute kennen, die ohne Diplom ihren Weg machten. Trotzdem versteht sie Williams fehlenden Ehrgeiz nicht. »Wie mühselig wäre es, wenn er sein Leben mit 400-Euro-Jobs bestreiten müsste!« Sie habe ihn immer unterstützt und ihn gelehrt, wie wichtig es sei, zur Absicherung einen Abschluss zu haben. Und sie habe das selber vorgelebt. Etwa als man ihr nach dem Unfall zu verstehen gab, mit ihrem Aussehen sei sie als Krankenschwester nicht mehr zumutbar. Da hat sie mit fünfzig noch ein Studium aufgenommen. Heute ist sie diplomierte Pflegewirtin. Sie sei der Typ, der die Dinge zu Ende führe. Ganz anders als ihr Sohn: »Der ist ein Meister der Anfänge.«
    Meteorologie, Physik, Sport, dann studierte er noch Sprachen, Französisch und Englisch und musste dazu das kleine Latinum machen. Wann immer der Druck zu groß wurde, ging er ihm aus dem Weg, so sieht sie das. Sie wollte dieses Verhalten nicht länger begünstigen und kündigte ihm die finanzielle Unterstützung. Natürlich habe er auch Pech gehabt, das gebe sie gerne zu. Die Hochschulreform Bologna habe ja quasi alles entwertet, was er vor der Reform

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