Liebe, lebenslänglich
getan habe. Und im Fach Erlebnispädagogik habe er alle Scheine gemacht, die man nur machen könne, doch der zuständige Professor sei entlassen worden, und jetzt wisse William wieder nicht weiter.
»Ja, wirklich«, sagt sie und schlägt mit der Faust auf den Tisch, »ich bin enttäuscht.« So laut sagt sie das, dass die Hündin Benita aus ihrem Schlummer aufwacht. Petra Krause-Wloch wird noch energischer: »Am meisten ärgert mich, dass William nicht darüber redet. Der kriegt seinen Mund nicht auf.« Nach einer kurzen Pause: »Wenn ich wütend bin, nenne ich ihn Staublappen. Weil er so trocken ist. Das hört er nicht gerne.«
Eigentlich wüsste sie genau, wie sie sich korrekt zu verhalten hätte: »Eine gute Mutter hilft ihrem Kind herauszufinden, wer es ist und was es will.« Im wirklichen Leben mit ihren Kindern war es ihr jedoch manchmal schwergefallen, das umzusetzen. Vor allem bei William.
Eltern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das schlummernde Potenzial ihres Kindes zu wecken, können von der Förderung in den Förderterror abdriften. Das konnte Petra Krause-Wloch mit ihrem Sohn nicht passieren. Denn William traf seine Entscheidungen immer selbst. Bereits als Kind ließ er sie nie so nah an sich heran, wie sie sich das gewünscht hätte. Zum Beispiel weigerte er sich schon in der ersten und zweiten Grundschulklasse prinzipiell, Hausaufgaben zu machen. Pipifax sei das, zu einfach, unter seiner Würde sozusagen. »Was haben wir denn da für ein Kind?«, fragte sie sich befremdet.
Völlig mühelos glitt er durch die Schule. Nebenher betrieb er so viel Sport, dass sie sich wunderte, wie er das schaffte. Bei Turnieren war er ein begehrter Fußballer, umworben von der ganzen Region. Für alles, wo ein Ball im Zentrum stand – Tennis, Pingpong, Handball, Basketball – hatte er Zauberhände und -füße. Und solange er die Schule nicht schleifen ließ, sah sie keinen Grund, sein überbordendes Freizeitprogramm einzuschränken. Da gab es nichts zu tun, als ihn in Freiheit gewähren zu lassen.
Im Studium jedoch wurde die Freiheit zum Problem. Sie wuchs sich zur Orientierungslosigkeit aus. Es schien ihr, dass er weder seine Interessen noch seine Fähigkeiten kannte. »Nach dem Abitur begann William sich zu suchen«, sagt sie. Und sie konnte ihm nicht beistehen. Denn William war weit weg. Er ist es immer noch. Er ist ihr entrückt. Sie half ihm, einen Zivildienstplatz zu finden, und setzte sich dafür ein, dass sein erstes Studium wenigstens teilweise anerkannt wurde. Das war alles. Seither konnte sie nichts mehr für ihn tun.
Man sollte seinen Kindern ja mit Vertrauen begegnen, sagt sie. Was aber, wenn das Gefühl stark und stärker wird, der eigene, längst erwachsene Sohn verpatze sein Leben? Sie weiß nichts von William und sieht keine Möglichkeit zu handeln. Diese Ohnmacht macht ihre Trauer tief. »Andere Eltern haben das Problem, dass sie sich mit den Träumen ihrer Kinder nicht anfreunden können«, sagt Petra Krause-Wloch, »mein Problem ist, dass ich nicht einmal weiß, ob er Träume hat.«
»Mein Traum wäre, wenn meine jetzige Beziehung noch lange halten würde.« William Krause bleibt sachlich, selbst bei seinen Wünschen. Jedes Pathos liegt dem Sohn geschiedener Eltern fern, gerade in Beziehungsfragen: »Ich sehe das Leben und die Liebe realistisch. Beziehungen ändern sich und können wie Glas zerbrechen.«
Dass sich seine Mutter sorgt, weil er nicht erwachsen werden wolle, ist für ihn nicht nachvollziehbar. »Mit dem Sportstudium bin ich fast durch. Nebenbei arbeite ich. Die finanzielle Unabhängigkeit ist gewährleistet.« Kinder? »Wenn es sich ergibt, mit der richtigen Partnerin, warum nicht.« Zukunft? »Ich glaube nicht, dass meine Generation mit einer Rente rechnen kann.«
Der berufliche Schwebezustand beunruhigt ihn nicht. Wenn er von Unsicherheit redet, dann von seiner inneren, und die verortet er in der Vergangenheit. In seiner Schulzeit, sagt er, wäre die elterliche Sorge eher begründet gewesen als heute. »Denn damals war ich sehr zurückhaltend.« Er erinnert sich an die Aufforderungen seiner Mutter, seine Meinung laut zu sagen. Aber gleichzeitig denkt er daran, wie sie mit ihrer direkten Art im Dorf aneckte. »Vielleicht bin ich deshalb so lange mit der Masse geschwommen. Um möglichst unsichtbar zu sein.«
William Krause bezeichnet sich als Spätzünder. Seine Geschichte ist für ihn die Geschichte eines verzögert erwachenden Selbstbewusstseins. Die Studienzeit, in
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