Liebe, lebenslänglich
mit Liebe gefestigt habe: »Sie hat einen mit Liebe erschlagen.« Es war ein harter Kampf, bis die Schwiegertochter die Fürsorglichkeit der Schwiegermutter in die Schranken verwiesen hatte.
Dass sie diesen Kampf durchstand, hat sie auch ihren Kindern zu verdanken, allen voran William: »Er gab mir gar keine andere Chance. Er sagte zu mir: ›Unser Stiefvater kann keine Ferien machen, jetzt sieh mal zu, dass du mit uns in Urlaub fahren kannst.‹« Pingpong, Fahrrad fahren, Ball werfen, er trainierte fast systematisch mit ihr und ließ nicht locker. Es wurde ein fröhlicher Urlaub.
Überhaupt sei die Familie zusammengewachsen durch ihren Unfall. Ihre Stieftöchter nannten sie auf einmal »Mama«. Seit dem Tod ihres zweiten Mannes und dem Tod der Schwiegermutter habe sich diese Verbundenheit leider wieder verloren. Sie sieht darin den Beweis, dass verschiedene Einflüsse auf den Zusammenhalt einer Patchworkfamilie wirken. Ein starker Wille allein reiche nicht aus.
Tatsächlich hat William Krause seine Pflegegeschwister und seine Stiefschwestern aus den Augen verloren. Nur mit seiner leiblichen Schwester hält er noch lockeren Kontakt. Und mit seinem Vater. Denn Leiblichkeit verpflichte, sagt er. Mit Geschwistern oder mit Eltern breche man weniger schnell als mit Freunden. Warum? »Eben weil sie mit einem verwandt sind.« Natürlich, sagt William Krause nach kurzem Nachdenken, natürlich sei eine Beziehung immer auch vom Verhalten abhängig: »Meine Schwester suchte meinen Rat, etwa bei Hausaufgaben oder so, meine Stiefschwestern taten das nicht.« Außerdem, fügt er hinzu, teile er mit seiner Schwester die Zeit der ersten Kindheitsjahre, die Landschaft der Ostsee, den Strand vor der Haustür. Der Umzug von Schleswig-Holstein nach Niedersachsen, wo es plötzlich Wald, jedoch kein Wasser mehr gab, war eine ziemliche Umstellung. Alles sei neu gewesen, das Haus, neue Geschwister, eine neue Oma, ein neuer Vater, ein netter Mann übrigens, ruhig und vertrauensvoll, der nie Druck gemacht habe. Und trotzdem. Die Erinnerungen an Niendorf würden ihn mit seiner Schwester verbinden, auch wenn sie nicht nur schön sind. Zwischen den Eltern herrschte oft schlechte Stimmung. Was streiten die schon wieder, hätten er und seine Schwester sich oft gefragt.
Wenn Petra Krause-Wloch die Geschichte ihrer ersten Ehe erzählt, holt sie aus. Sie zeigt auf einen Porzellanclown auf dem Nebentisch. Der Clown, der nach außen nicht zeige, wie es in ihm innen aussehe – so habe sie sich gefühlt.
Sie war geflohen vor einem engen Zuhause und einer liebevollen, aber kraftlosen Mutter, einer Sudetendeutschen, die zeitlebens unter ihrer Flucht gelitten hatte und mit Nervenproblemen kämpfte. »Wann immer sie sich überfordert fühlte, und das war oft der Fall, bat sie den Vater, die Kinder zu strafen, und der schrie und prügelte dann auf uns ein.«
Sie war um die zwanzig, als sie ihren ersten Mann kennenlernte. Er wirkte ruhig und introvertiert, also angenehm. Die Ehe mit ihm war ihr Fahrschein weg vom Leiden ihrer Mutter und der Gewalt ihres Vaters. Als sie schwanger war, empfand sie das als großes Glück. Und als sich herausstellte, dass es ein Junge wurde, war das Glück perfekt, denn ein Junge stärkte ihre Position in der Familie ihres Mannes. Die Frauen seiner Brüder hatten nur Mädchen zur Welt gebracht. Sie war es, die den Schwiegereltern den ersehnten Stammhalter schenkte.
Doch bald gesellte sich zum Glück auch Unglück. Immer ging es in ihrer Ehe um die Familie ihres Mannes. Schon der Name William war ein mühsamer Kompromiss. Nach ostpreußischer Tradition hätte sie ihren Sohn Willi taufen müssen. Und ihr Mann, entdeckte sie, war im Prinzip genauso auf der Flucht vor seinen Eltern wie sie vor ihren. Nur entkam er ihnen nicht. Er scheute Bewegung, war freundlich, aber ohne Ehrgeiz. Also entzog er sich still. »Nach der Arbeit setzte er sich vor den Fernseher«, erinnert sie sich, »und trank ein Bier nach dem anderen, bis er einschlief, Abend für Abend.«
Die Schwiegereltern dagegen waren voller Energie. Kaum ging ihr Mann zur Arbeit, stand schon sein Vater vor der Tür, um ihre Wohnung abzusuchen nach einem möglichen versteckten Liebhaber. Dauernd standen die Schwiegereltern in ihrer Wohnung. Petra Krause-Wloch sah sich in einem Grabenkrieg, und ihr schwacher Mann stärkte ihr den Rücken nicht.
Sie habe damals erfahren, wie Unfreiheit einen Menschen verändern könne. So komplett, dass man sich selber nicht mehr
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