Liebe, lebenslänglich
verloren.« Toth setzt eine bedeutungsschwere Pause: »Und dieser Verbündete ist Jesus Christus.«
Bence Toth ist ein traditionsbewusster Mensch. Nicht umsonst tragen er und sein Erstgeborener denselben Namen, der an den heiligen Benedikt erinnern und Dankbarkeit ausdrücken soll gegenüber dem Benediktinerkloster, das 1944, als die Russen Ungarn angegriffen haben, Toths Mutter aufnahm und rettete. Toth hat seine Kinder so erzogen, wie auch er erzogen worden war, im Glauben an christliche Werte. Er hat auf gute Manieren geachtet. Und wenn Bence frech war, gabs auch mal eine Ohrfeige oder Schläge auf den Hintern. »Ich war bestimmt kein Weichei«, sagt Toth, offensichtlich stolz darauf. Wenn nötig, habe er seine Stimme erhoben und sei konsequent gewesen. Toth lächelt versonnen sein Glas an. »Etwa so konsequent wie mein Vater, der mich manchmal zu sich ins Büro gerufen und mir gesagt hat, ich solle jetzt laut schreien, damit die Mutter denke, er bestrafe mich.« In Wirklichkeit krümmte sein Vater ihm kein Haar.
Die Komplizenschaft und Lockerheit seines Vaters damals nahm er sich zum Vorbild für den Umgang mit den eigenen Söhnen. Als diplomierter Sportlehrer und Besitzer der bekanntesten Schwimmschule Münchens – das dürfe er behaupten, ohne aufzuschneiden – habe er mit seinen Kindern zwar durchaus Karate gemacht und Basketball und Fußball gespielt, doch nur, wenn sie wollten, er habe sie nie gedrängt.
Vater Bence sitzt da und erzählt von der Kindheit seines Sohnes Bence. Es sind die üblichen Anekdoten und Probleme, ganz normale Familiengeschichten. Absurd der Gedanke, Bence Toth könnte mit seiner Erziehung mörderische Anlagen in seinem Sohn gefördert oder auch nur nicht verhindert haben.
Er sei »authentisch« erzogen worden, sagt Bence Toth, der Sohn. »Es hat Watschen gegeben, aber nicht übertrieben oft, und wenn, wusste ich genau, wieso.« Seine Eltern hätten eine gute Mischung aus Freiheit und Vorgaben getroffen, findet er: »Solange die Ergebnisse am Ende des Jahres in Ordnung waren, wurde ich nicht jeden Tag gefragt: ›Wie wars in der Schule, was hast du für Noten?‹«
Als Kind hat er mit seinem Vater gerauft, wie kleine Löwenbabys es tun, er ist Gokart gefahren, sie haben zusammen Ball gespielt oder ein Eis gekauft. Keine Erinnerung ragt heraus. »Zum Glück, denn das bedeutet, dass es nicht singuläre Ereignisse waren.« Er beschreibt seinen Vater als natürliche Autorität mit sentimentalem Einschlag. Er sei eher der Sensible im Vergleich zur Mutter, mit der man herrlich makabre Witze machen könne. Der Vater finde das dann nicht so lustig.
»Ich fühlte mich geliebt«, sagt Bence Toth, und vielleicht hätte er nie begriffen, dass es nichts Wichtigeres gebe, wäre er nicht hinter Gitter gekommen. Die Freiheit könne schnell weg sein, die Gesundheit auch. »Was bleibt, ist die innere Haltung und das Vermögen, zu lieben und sich lieben zu lassen.« Beides habe ihm sein Vater wie selbstverständlich vermittelt, davon zehre er bis heute.
Bence Toth glaubt, dass die meisten um ihn herum dieses Glück nicht haben und sich damit das Klischee bestätige, dass Kriminelle oft aus zerrütteten Verhältnissen stammten. »Ich schließe das aus Andeutungen. Denn man redet ja nicht über Persönliches. Sind ja alles harte Männer hier. Aber die Härtesten, das sind die Schwächsten.« Warum? »Weil es anfällig macht, wenn man seine Schwächen negiert.«
Der Vater kann nicht glauben, dass ein Tantenmörder so denken würde, wie sein Sohn denkt. Er lobt ihn: »Ein sehr, sehr intelligenter Junge. Sehr redlich. Konservativ in der Einstellung: Half den Damen immer in den Mantel.« Und um sich Glaubwürdigkeit zu verleihen, kritisiert er ihn auch: »Ich will ehrlich sein: Er hat ungarisches Blut in den Adern. Da knallen die Türen.«
Es mag Eltern geben, die sich von einem verurteilten Kind abgewandt hätten, andere würden es lieben, nichtsdestotrotz. Die väterliche Liebe Toths jedoch ist so geartet, dass er den Gedanken kategorisch ablehnt, sein Sohn könne ein Mörder sein: »Unmöglich!« Die Frage, ob er es seinem Sohn nicht quasi schuldig sei, wenigstens die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass er die Tat begangen haben könnte, lässt sich nicht zu Ende formulieren, denn Toth unterbricht mich mit Entschiedenheit: »Ausgeschlossen!« Ich zitiere aus der Bibel: »Wer seine Sünden verhehlen will, kommt nicht zum Ziel, wer sie aber bekennt und lässt, der findet Erbarmen.« Toth winkt
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