Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
Geschmack.«
Während er das Glas vor mir abstellt, strecke ich die Hand aus und fasse an seinen Bizeps, nur weil ich ihn fühlen möchte. John lässt ein paar Sekunden lang zu, dass ich die Konturen seines Oberarms mit dem Finger nachzeichne, dann hebt er mich hoch und setzt mich auf seinen Schoß. Seine Stärke hat etwas an sich, das mir das Gefühl verleiht, als würde er mich von meinen Problemen wegheben. Superschnell finden seine Lippen meine, und die Vorstellung von einer gemeinsamen Nacht kommt mir plötzlich nicht mehr so schlimm vor.
»Komm, gehen wir zu mir. Mein Vater ist nicht da«, flüstert er mir eindringlich ins Ohr.
»Du wohnst noch bei deinem Vater? Und du spielst Federball!«, kreische ich.
Aber ich gehe trotzdem mit zu ihm, weil ich nicht allein nach Hause möchte, wo mich die nächste schlaflose Nacht erwartet, weil ich das mit morgen ausblenden möchte und weil ich, auch wenn es nicht die Arme sind, nach denen ich mich eigentlich sehne, sie trotzdem um mich spüren möchte, nur für eine Nacht.
52
»Meine Güte, Gracie«, sage ich und schlage im Flur langsam den Kopf gegen die Wand, als die Erinnerung an die letzte Nacht zurückkehrt.
Ich bin gerade im Begriff, mich aus Johns Haus zu schleichen. John ist bereits weg. O Gott, ich habe mit meinem Chef geschlafen. Ich schlage den Kopf wieder gegen die Wand.
»Warum, Gracie? Warum?«, winsle ich. »Daran sind die Cocktails auf Tequila-Basis schuld, Euer Ehren. Die vertrage ich nicht, weil ich so klein bin.«
»Guten Tag«, sagt eine orientalische Frauenstimme.
Ich lasse die Stirn an der Wand, da dies den dumpfen Schmerz in meinem Kopf lindert, und drehe das Gesicht zu einer kleinen Filipina in einem lachsfarbenen Kleid, die einen Meter von mir entfernt steht.
Ich dachte mir schon, dass John eine Haushälterin hat. Sein Bett war hotelmäßig steif bezogen, sodass man praktisch ein Brecheisen brauchte, um unter die Decke zu kommen. Nicht, dass wir uns sofort ins Bett gelegt haben. Wir hatten zuerst Sex, kaum dass wir durch die Tür waren. John ist ziemlich stark, er hob mich hoch und trug mich von der Kommode zur Wand. Ich spürte seine starken Arme, wir küssten uns, und dann war es auch schon vorbei. Zumindest beim ersten Mal, aber es gab noch ein zweites Mal und einen halbherzigen dritten Versuch, bei dem ich wohl eingeschlafen sein muss. Aber wenigstens habe ich ein bisschen schlafen können. Wenigstens lag ich nicht die ganze Nacht wach und dachte daran, was ich heute tun muss.
»Sie sind wirklich gut im Bettenmachen«, krächze ich. »Ich wünsche Ihnen auch einen guten Tag.«
Langsam, wirklich sehr langsam, wird mir etwas bewusst. »Tag?«, sage ich leise. »Wie spät ist es?«
Die Haushälterin dreht ihr schmales Handgelenk, damit ich auf ihre Armbanduhr sehen kann.
»Zwanzig nach eins?«
Sie nickt, lächelt und entfernt sich.
Zwanzig nach eins! Ich, Gracie Flowers, habe bis um zwanzig nach eins geschlafen! Ich verschlafe nie. Zu Hause werde ich immer von den Zügen wach. Warum hat Posh Boy mich nicht geweckt? Was spielt er für ein Spiel? Zwanzig nach eins! Ich habe meinen Termin verpasst! Ich habe das Dingsda verpasst!
Scheiße! Scheiße!
Oder?
Ist das ein Zeichen? Soll ich dieses Kind bekommen?
Ich war noch nie so verwirrt. Noch nie.
53
»Dad, ich muss mit dir reden.« Ich bin ganz früh hergekommen, damit wir unter uns sind, wie damals in den alten Zeiten im Bad. »Ich bin schwanger.«
Normalerweise sprudelt es nur so aus mir heraus, wenn ich mit Dad rede, der arme Mann ertrinkt in einem wahren Wortschwall, aber heute tröpfelt es nicht einmal. Ich zögere, bevor ich weiterspreche.
»Ich trage ein Kind in mir«, sage ich schließlich.
Wieder lasse ich die Worte in der Luft hängen, einsam. Ich finde keine Freunde für sie. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hocke im Schneidersitz auf dem schmutzigen alten Kissen, das ich seit Jahren in meinem Kofferraum mitführe, und blicke auf Dads Grabstein.
Und dann auf meinen Bauch. »Das ist mein Vater, Baby. Er war echt cool. Er hat immer gewusst, was zu tun ist.«
Wenn ich dieses Kind bekomme, wird es meinen Vater nie kennenlernen. Es wird nie seine unglaublichen Umarmungen erleben. Es wird nie erfahren, wie sich seine Liebe anfühlte. Doch dieses Kind scheint irgendwie mit meinem Vater verbunden zu sein. Die Leute sagen immer, ich sehe aus wie mein Vater. Vielleicht kommt das Baby auch nach ihm. Dann würde ein kleiner Teil von ihm weiterleben. Ich seufze.
»Oh,
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