Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
bestellt. Anton sah ihre Schönheit, sie sah seine sexy behaarte Brust, er checkte kurz seinen Atem in der Hand, und sie lächelte. Dann kamen sie wahrscheinlich beiläufig ins Gespräch, und einer der beiden erwähnte eine großartige Fotoausstellung, worauf der andere erwiderte, dass er sie sich auch anschauen wolle, und sie verabredeten sich und gingen hinterher zusammen essen. Sicher ist sie dann mit zu ihm gegangen, um ihre erstaunliche Beckenbodenmuskulatur zu demonstrieren.
Es ist seltsam. Ich bin hier mit Wendy und Freddie, und ich beteilige mich an der Unterhaltung, indem ich nicke und hin und wieder eine Bemerkung fallen lasse, aber währenddessen ist mir die ganze Zeit bewusst, wo Anton sich im Saal aufhält und was er gerade macht. Vorhin hat er seinem Küchenpersonal Bier spendiert und mit allen angestoßen, und gerade eben hat er einen jungen Kerl beim Koksen auf der Toilette erwischt und ihn gebeten, das Lokal zu verlassen. Im Moment fordert er die Gäste auf, langsam auszutrinken. Im Grunde habe ich den ganzen Abend damit verbracht, über Anton nachzudenken.
Wendy weint. Ich lege meine Hand auf ihre. Falls Freddie sie wieder beleidigt hat, werde ich ihn verprügeln.
»Alles okay?«, frage ich.
Sie nickt unter Tränen.
»Freddie hat mir nur gerade die schreckliche Geschichte von einem vierzehnjährigen Mädchen, das man entführt und zur Prostitution gezwungen hat, erzählt.«
Wendy erzählt mir die finstere Geschichte, und ich höre bekümmert zu. Als sie fertig ist, sitzen wir beide einen Moment lang da und denken über das Schicksal dieser armen Frauen nach, aber dann bekomme ich einen überwältigenden Heißhunger auf ein Hühner-Sandwich. Ich versuche, das Bild aus meinem Kopf zu verdrängen, weil das durch den osteuropäischen Menschenhandel verursachte Elend eindeutig wichtiger ist als meine Gelüste, das Bild geht jedoch nicht weg – ein vollwertiges Hühner-Sandwich mit einer dicken Schicht Butter und einem Klecks Würzsoße zwinkert mir zu. Vielleicht braucht Babybohne Proteine, oder vielleicht bin ich einfach nur verfressen. Wo bekomme ich am Sonntagabend um halb elf ein Hühner-Sandwich her? Wahrscheinlich muss ich zur Edgware Road fahren. Es ist eindeutig ein Vorteil, keinen Alkohol zu trinken.
»Einen Penny.« Es ist Anton. Er steht vor mir mit einem Turm aus Biergläsern, der an seiner Schulter lehnt.
»Du brauchst Kleingeld?«, frage ich.
»Nein.« Er lacht. »Einen Penny für deine Gedanken.«
»Oh, ich muss gestehen, dass ich an ein Hühner-Sandwich gedacht habe.«
»Wenn du noch ein bisschen wartest, lässt sich das arrangieren.« Er lächelt. »Mit Würzsoße oder Mayo?«
»Oh«, sage ich, während mir das Wasser im Mund zusammenläuft. »Mit Würzsoße, bitte.«
»Eine sehr gute Idee«, sagt er und rauscht mit den Gläsern ab.
»Freddie hat mich gerade gefragt, ob ich mit ihm auf einen Drink nach oben gehe«, flüstert Wendy mir ins Ohr.
»Das sind sehr gute Neuigkeiten«, flüstere ich zurück.
»Ich stehe nicht auf Freddie, er ist ein Wichser«, sagt sie.
»Dann hast du also Nein gesagt.«
»Natürlich nicht. Ich gehe mit ihm hoch.«
Ich beobachte, wie Wendy und Freddie mit einer Flasche Wein nach oben verschwinden. Dann entdecke ich zwei Gläser auf dem Boden, hebe sie auf und bringe sie zur Theke. Die Barkeeper haben den ganzen Abend einen lustlosen Eindruck gemacht, jetzt wirbeln sie herum, damit sie so schnell wie möglich aus dem Laden kommen. Ich schnappe mir einen feuchten Lappen vom Tresen und wische damit die klebrigen Tische ab, während Anton die Karaoke-Ausrüstung nach oben trägt. Er wirkt sehr stark und überhaupt nicht alt. Als er wieder nach unten kommt, wünscht er seinen Leuten eine gute Nacht und schließt die Tür hinter ihnen ab. Er schaltet den Großteil der Beleuchtung aus, nur das Licht von den Barlampen und den Straßenlaternen draußen bleibt. Plötzlich fühle ich mich wie in einem Schwarz-Weiß-Film aus den Fünfzigern, zumindest soweit das möglich ist, wenn man Leggings anhat.
»Okay, Huhn und Würzsoße. Folge mir, Gracie Flowers. Du wirst zum Buttern verdonnert.«
Ich folge ihm in die Küche und wasche mir die Hände in dem kleinen Waschbecken hinter der Tür.
»Ein Naturtalent.« Er nickt mir zu.
Ich sage nichts, ich lächle nur zufrieden, während er Schranktüren aus rostfreiem Stahl und den Kühlschrank öffnet und wieder schließt, um die Zutaten zusammenzusuchen. Er schneidet eine dicke Scheibe Vollkornbrot ab und
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