Liebe, Lust und Lesebrille
Verletzung kann tatkräftig unter Beweis stellen, dass ihm das Geschehene leidtut, und fühlt sich nicht mehr hilflos dem guten Willen des Partners ausgeliefert. Er kann aktiv etwas dazu beitragen, dass sich der Verletzte ihm wieder zuwenden kann.
Der Verletzte spürt, dass der Partner es mit seiner Entschuldigung ernst meint und bereit ist, aktiv etwas für die Versöhnung zu tun.
Wichtig bei dem Akt der Wiedergutmachung ist,
dass der Verletzte sich etwas überlegt, das ihm beim Verzeihen helfen könnte,
dass er diese Möglichkeit nicht missbraucht, um dem anderen eine »Strafe aufzuerlegen« oder ihm »eins reinzuwürgen« (»Du musst jetzt jeden Tag das Bad putzen!«),
dass die Forderung des Verletzten realistisch und vom Partner auch umsetzbar ist. Die gewünschte Wiedergutmachungsaktion muss also überschaubar sein und ein klares Ende haben.
Unrealistische und überzogene Widergutmachungsforderungen wie: »Versprich mir, dass du nie wieder zu spät kommst!«, oder: »Ich wünsche mir, dass du in Zukunft immer …«, funktionieren nicht. Durch diese Forderung bleibt der Verletzer weiterhin in seiner unterlegenen Position, also in der Position des Schuldners und Büßers. Das Verzeihen dient aber genau dem Zweck, ihn bewusst aus dieser Position zu entlassen, damit sich beide Partner wieder auf Augenhöhe begegnen können und das Beziehungskonto ausgeglichen wird. Wer also überzogene Forderungen an seinen Partner stellt, die dieser kaum umsetzen kann, ist offensichtlich (noch) nicht bereit, wirklich zu verzeihen.
Zwei Beispiele für gelungene Wiedergutmachungen:
Frau G. ist mit ihrem Mann zu einem Theaterbesuch verabredet, auf den sie sich schon seit Wochen gefreut hat. Kurz vorher muss er den Termin wegen einer beruflichen Krisenbesprechung absagen. Sie ist wütend, verletzt und fühlt sich »sitzen gelassen«, vor allem weil es nicht das erste Mal ist, dass er aus beruflichen Gründen eine Verabredung mit ihr platzen lassen musste.
Er bittet sie am nächsten Tag um Entschuldigung, sie kann es aber nicht so einfach »wegstecken«. Auf die Frage, wie er das wiedergutmachen könne, überlegt sie eine Weile und sagt dann: »Ich würde mich freuen, wenn du mich am Wochenende zum Essen einlädst.« Dies tat Herr G. auch, und seine Frau konnte sich mit dem Ausfall des Theaterbesuchs besser abfinden.
Herr P. kommt beschwingt von einer Betriebsveranstaltung nach Hause und erzählt seiner Frau von einem interessanten Gespräch, das er mit einer Kollegin geführt hat. Frau P. fängt an zu sticheln, wird provokativ und beginnt das, was Herr P. ihr erzählt, durch den Kakao zu ziehen und die Kollegin lächerlich zu machen. Herr P. wird daraufhin wütend, springt auf und zieht sich in sein Zimmer zurück.
Frau P. merkt nach einer Weile, was in ihr vorgegangen ist, und klopft beherzt an seine Tür. Als sie hereingebeten wird, sagt sie: »Es tut mir leid, dass ich deine Erzählungen so runtergemacht habe. Ich kann verstehen, dass du jetzt sauer bist, es tut mir leid. Ich glaube, ich war einfach eifersüchtig und neidisch. Wie kann ich das jetzt wiedergutmachen, damit du mir nicht mehr böse bist?« Herr P. sagt darauf nach einer Weile schmunzelnd: »Okay, Schatz, wie wäre es mit einer kleinen Versöhnungs-Entspannungsmassage?«
Von solchen kleinen »Wiedergutmachungsdeals« profitieren also beide Partner. Vorausgesetzt, sie halten sich an die oben genannten Regeln.
Vergebung – kleines Wort mit großer Bedeutung
Etwas anderes als Verzeihen ist das Vergeben. Während sich das Verzeihen auf eher »kleinere« Verletzungen bezieht, so bezieht sich das Vergeben auf große seelische Erschütterungen, wie etwa auf erlittenes Unrecht oder tiefe Kränkungen, die das eigene Weltbild und wichtige moralische Grundwerte verletzt haben. Unternimmt ein Partner zum Beispiel etwas, das die bisher immer hochgehaltenen Werte der Beziehung verletzt, kann das dem Partner den Boden unter den Füßen wegziehen und ihn in einetiefe Krise stürzen. Ein Klassiker ist das »Fremdgehen« eines Partners, das das Gebot der Treue unterläuft und damit für viele Menschen einen hochgradigen Vertrauensverlust bedeutet.
Beim Vergeben geht es anders als beim Verzeihen nicht darum, einen beziehungstechnischen Kontoausgleich vorzunehmen, sondern eher darum, auf einen solchen bewusst zu verzichten. Darum ist es auch ungleich schwieriger zu vergeben, als zu verzeihen.
Vergebung
ist ein freiwilliger Akt;
ist ein einseitiger und auch möglicherweise
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