Liebe, Lust und Lesebrille
andere Konsequenzen: Sie steigen aus dem Ideal der monogamen Ehe komplett aus und erschaffen sich bewusst andere Beziehungsregeln, z. B. solche, die außereheliche Beziehungen unter bestimmten Umständen gestatten. Das kann vor allem dann funktionieren, wenn beide Partner sich an die Regeln halten und sich gegenseitig »trotzdem« nahe und zugewandt bleiben können.
Eine solche Neuordnung muss allerdings unbedingt einvernehmlich geschehen und darf keinesfalls auf Kosten eines Partners gehen, der das eventuell nur mitmacht, um den anderen irgendwie zu »behalten«.
Wenden wir uns nach dieser Reise in Ihre gemeinsame Vergangenheit nun wieder der Gegenwart zu: Im folgenden Kapitel geht es darum, bestimmte wiederkehrende Konfliktmuster Ihrer Partnerschaft zu beleuchten und an diesen konstruktiv zu arbeiten. Es bleibt also spannend.
5. Lieben und Streiten für Fortgeschrittene
Wie Paare ihre Grundkonflikte lösen und warum Harmonie überbewertet wird
Nicht nur Erfahrungen in der Therapie, sondern auch die im echten Leben zeigen, dass in allen gravierenden Umbruchs- und Belastungsphasen die Gefahr steigt, dass sich ein Paar trennt. Ob die Geburt eines Kindes, eine schwere Erkrankung oder der Tod eines Familienangehörigen, ob Wechseljahre oder midlife crisis und/oder der Auszug der Kinder: All das sind manchmal harte Prüfungen für ein Paar. Nun zeigt sich, wie gut die Partner miteinander umgehen können, wie bereit und wie weit sie in der Lage sind, zumindest phasenweise zurückzustecken und sich gemeinsam auf die neue, veränderte Situation einzulassen.
Auch ältere, erfahrene Paare sind vor Krisen nicht gefeit. Obwohl die Partner bereits auf eine verbindende und komplexe gemeinsame Geschichte zurückblicken können, so können auch sie von Sinnkrisen oder anderen Problemen heimgesucht und massiv durchgeschüttelt werden. Die Vorstellung, ein älteres Paar habe quasi automatisch so etwas wie »trennungsschützende Faktoren« erworben, ist also nicht ganz richtig.
Vielmehr haben sich viele langjährige Paare an bestimmte Beziehungs- und Verhaltensmuster einfach gewöhnt und hinterfragen deren Sinnhaftigkeit bzw. deren Funktion nicht mehr. Das aber bedeutet Stagnation, die das Gefühl von Leere hervorrufen kann. Haben sie zusätzlich noch einen Haufen unverarbeiteter Konflikte aus der gemeinsamen Vergangenheit im Gepäck, reicht die Verbundenheit vielleicht nicht mehr aus, um die Herausforderungen der neuen Lebensphase gemeinsam zu meistern.
Wer die Liebe aber wieder beleben oder sie einfach lebendig halten will, sollte jetzt bewusst schauen, welche Themen gerade anstehen, und diese gemeinsam angehen. Wenn Sie mithilfe des letzten Kapitels vielleicht angefangen haben, ihre Altlasten abzutragen (oder zumindest wissen, welche Themen da noch womöglich zu bearbeiten sind), können Sie sich nun den immer wiederkehrenden Konflikten Ihrer Partnerschaft zuwenden, die oft nach einem bestimmten Muster ablaufen. Hinter diesen Konfliktmustern verbergen sich oftmals die Grundkonflikte des Paares und auch die Grundkonflikte jedes Einzelnen, die es sich anzuschauen lohnt. Je mehr Sie über diese Grundthematik wissen, die Sie als Paar mit sich herumschleppen, desto besser können Sie sich aus festgefahrenen Verhaltensmustern befreien. Das Aussteigen aus diesen Mustern eröffnet völlig neue Sichtweisen auf sich selbst und seinen Partner und befördert ein vertieftes Verständnis füreinander. Und damit die Liebe.
Kommen Sie also miteinander ins Gespräch über Ihre »Dauerbrenner«:
Sind es immer die gleichen Themen, über die Sie sich in die Wolle bekommen? Oder streiten Sie über unterschiedliche Themen, der Ablauf ist aber trotzdem ähnlich?
Nach welchen Mustern läuft ein solches Streitgespräch ab?
Mit welchen Gefühlen ist es meistens verbunden?
Und: Worum geht es denn eigentlich , wenn Sie sich streiten?
Ein Beispiel:
Herr P. hatte seinem 16-jährigen Sohn, der am Wochenende entgegen der getroffenen Verabredung nicht pünktlich von einer Party nach Hause gekommen war, für die nächsten Tage Computerverbot auferlegt. Als er am Montagabend nach Hause kommt, sitzt der Sohn am PC und sagt völlig ungerührt: »Mama hat gesagt, ich darf.«
Daraufhin entspinnt sich ein heftiger Streit zwischen Herrn und Frau P. Herr P. wirft seiner Frau vor, seine väterliche Autorität zu unterlaufen und ihn vor seinem Sohn dadurch unglaubwürdig und lächerlich zu machen. Sie wiegelt ab und sagt: »Du kümmerst dich sonst auch nicht um
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