Liebe, Lust und Lesebrille
einsamer Prozess;
ist ein eher stiller Akt, über den nicht ständig oder womöglich gar nicht gesprochen wird;
ist keine gefühlsmäßige Reaktion, sondern ein bewusster Akt;
basiert nicht auf Verdrängung oder Ignoranz, sondern auf Großmut und Menschlichkeit;
kann man nicht einfordern oder einklagen. Ob ein Partner einem anderen das erlebte Unrecht vergeben möchte, ist ganz allein seine Entscheidung.
Jemand, der das Unrecht, das ein anderer ihm angetan hat, vergibt, ist bereit, auf bestimmt Ansprüche zu verzichten und entlastet sich selbst, indem er sich aus der Opferrolle begibt. Etwas zu vergeben ist ein hochkomplexer seelischer Prozess, der seine Zeit braucht.
Liebesaffären und Co: Schicksal oder Chance?
Es gibt wenige Ereignisse, die Partnerschaften so nachhaltig erschüttern wie die Liebesaffäre eines Partners. Wenn ein Partner erfährt, dass der andere ihn »betrogen« hat, bricht für ihn oft eine Welt zusammen. Eifersucht und Verzweiflung, aber auch Wut und Hilflosigkeit machen sich beim »Betrogenen« breit. Die meisten Paare, die in Paartherapie landen, kommen ursprünglich wegen einer außerehelichen Beziehung eines Partners und auf Betreiben des »Betrogenen« hin.
Oft ist dem »Fremdgeher« zunächst seine eigene Motivation für die Affäre gar nicht klar und er gibt an, es sei eben einfach so gekommen, er/sie könne gar nichts dafür, es sei einfach passiert, er/sie habe das gar nicht vorgehabt. Er stilisiert sich so praktisch zum Opfer des Schicksals, zum Opfer seiner Gefühle oder gar der Hormone. Und in der Tat weiß er zudiesem Zeitpunkt oft nicht, wie es dazu kommen konnte, was er selbst vielleicht unbewusst dazu beigetragen hat und was das Ganze vielleicht mit seiner Partnerschaft zu tun hat.
Der betrogene Partner kann sich meist mit lapidaren Antworten wie »Ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte« nicht zufrieden geben und bohrt frei nach dem Motto »Was hat sie/er, was ich nicht habe?« weiter nach den Motiven des anderen. Oft allerdings ohne Erfolg.
In der Beratung kommen dann im Laufe der Zeit oft überraschende Erkenntnisse auf den Tisch. So kann der »Fremdgeher« meistens im Rückblick erkennen, was ihm in der Partnerschaft über einen längeren Zeitraum gefehlt hat und welche Veränderungen er gebraucht hätte, um weiterhin treu bleiben zu können. Erst in der Begegnung mit der neuen Person wird er mit seinen verschütteten Bedürfnissen konfrontiert (»Ich fühlte mich endlich mal wieder attraktiv, als Mann/Frau wahrgenommen, da ist jemand, der sich an mir interessiert zeigt/mit dem ich mich austauschen kann …«).
Und der »Betrogene« kann im Laufe der Beratung oft auch ebenso erkennen, dass er nicht nur das hilflose Opfer ist, sondern auch etwas mit dem »Fremdgehen« des Partners zu tun hat.
Ein Beispiel:
Frau H. und Herr G. sind seit 13 Jahren ein Paar. Sie haben drei Kinder und wohnen in einem kleinen Reihenhaus am Stadtrand. Eines Tages eröffnet Herr G. seiner Frau, dass er seit ein paar Monaten eine Geliebte hat und demnächst ausziehen möchte. Frau H. fällt aus allen Wolken, zumal sie auch keinerlei Verdacht gehegt hatte. Sie fällt in tiefe Verzweiflung, und auf ihr Drängen hin zeigt sich Herr G. bereit, seinen Entschluss zu überdenken und mit ihr zu einer Paarberatung zu gehen. In dieser Beratung zeigt sich, dass Herr G. sich schon seit einer ganzen Weile von seiner Frau überhaupt nicht mehr begehrt und auch nicht wahrgenommen gefühlt hat. »Du hast ja noch nicht mal nachgefragt, wo ich abends hingehe, also bekam ich immer mehr das Gefühl, dass ich dir total egal bin«, wirft er ihr vor. Außerdem beschreibt er, dass er sich seiner Frau intellektuell immer unterlegen und sich auch oft durch abschätzige Bemerkungen von ihr entwertet gefühlt hat.
Frau H. war sich dessen nie bewusst gewesen, musste aber zähneknirschend zugeben, ihn wohl unbewusst oft »von oben herab« behandelt zu haben. Es fiel ihr sehr schwer, sich nicht nur als »betrogene Ehefrau« und »Opfer« zu sehen, sondern auch als »Täterin« im Sinne von »Verletzerin«.
Frau H. und Herr G. bearbeiteten diese Thematik gründlich miteinander in der Beratung, sie weinten viel und baten sich gegenseitig um Verzeihung. Herr G. brach nach einer Weile die Beziehung zu seiner Geliebten ab.
Vielleicht sind »Seitensprünge« nicht immer zwangsläufig ein Ausdruck von Partnerschaftskrisen. Meistens jedoch ist eine außereheliche Liebesaffäre ein Indikator dafür, dass ein Partner in
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