Liebe, Lust und Lesebrille
sie?
Was würden Sie gerne einmal ausprobieren?
Wenn es Ihnen schwerfällt, über diese Themen offen miteinander zu reden, schreiben Sie sich doch gegenseitig Briefe. Das kann auch sehr erotisierend sein!
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Von erotischen Schnittmengen und kleinsten gemeinsamen Nennern
In der Sexualtherapie geht man davon aus, dass sich Paare in der Sexualität eher auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, als dass sie ihr gesamtes sexuelles Spektrum ausleben. Was ist damit gemeint? Nun, jede Person ist ein sexuelles Wesen mit ganz eigenen Erfahrungen, Ängsten, Wünschen und Bedürfnissen. In der gemeinsamen Sexualität sorgen die Partner dann für eine sogenannte Passung: Es soll ja beiden »Spaß« machen, jeder nimmt Rücksicht auf den anderen, und keiner traut sich, dem anderen etwas zuzumuten, was dieser nicht machen will. Das ist so weit ein völlig normaler Prozess. Schließlich sind Rücksichtnahme und Vorsicht in intimen Situationen extrem wichtig. Erst aus der Bereitschaft, sich gegenseitig zu respektieren und zu achten, kann schließlich intimes Vertrauen erwachsen. Wenn Paare allerdings viele Jahre zusammenlebenund dieser sexuelle Minimalkonsens zum erotischen Schon- und Standardprogramm wird, ist Langeweile vorprogrammiert.
Gründe für diese sexuelle Stagnation sind in der Regel Ängste, sich zunehmend zu offenbaren. Lieber einigt man sich auf ein festgelegtes Ritual, mit dem man sich sozusagen auf sicherem Terrain befindet. Das hat den eindeutigen Vorteil, dass man sich sicher fühlen kann, weil aller Voraussicht nach nichts Unvorhergesehenes geschehen wird.
Wenn Sie sich jedoch vorstellen, Ihre gemeinsame Sexualität sei die Schnittmenge Ihrer jeweiligen sexuellen Identitäten, können Sie sich dann auch vorstellen, wie viel sexuelles Potenzial jedes Einzelnen brachliegt? Macht Sie das neugierig auf all das, was da noch entdeckt werden möchte? Oder macht Ihnen das ein bisschen Angst? Trösten Sie sich, denn das gehört dazu. Echte Intimität ist nichts für Feiglinge und Jungspunde. Und genau deshalb ist jetzt die richtige Zeit gekommen, um sich noch mehr Ihrem sexuellen Potenzial zu widmen. Da geht nämlich noch einiges!
Viele Sexualtherapeuten sind der Ansicht, dass die Sexualität in der Ehe bzw. in einer langjährigen Partnerschaft dann eintönig wird, wenn die Partner es nicht mehr wagen, sich über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus gegenseitig als sexuelle Persönlichkeiten zu zeigen. Es ist offensichtlich leichter, in einer Affäre eine bisher verborgene Facette der Sexualität zu leben, als diesen Aspekt dem langjährigen Partner oder der Partnerin preiszugeben. Innerhalb der Beziehung sexuell zu experimentieren, ist also für viele Menschen eine weit größere Herausforderung, als einen »Seitensprung« zu wagen!
Dahinter stecken einerseits natürlich oft Schamgefühle. Aber auch die Sorge, von dem geliebten Menschen abgelehnt und zurückgewiesen zu werden, spielt eine große Rolle. Um solche Irritationen in der Beziehung zu vermeiden, verstellen sich Menschen dann lieber. Entweder sie passen sich dann den Forderungen des anderen an und geben sich mit dem zufrieden, was sie bekommen, ohne sich wirklich zeigen zu müssen. Dass das Ergebnis dann auf Dauer zu einer Art Schmalspursex verkommen kann, ist nicht sehr verwunderlich.
Die andere, noch etwas radikalere Möglichkeit, sich dem Partner nicht in seiner Bedürftigkeit zeigen zu müssen, ist die generelle Verweigerung von Nähe und Intimität. Wenn ich nicht bereit bin, mich mit meinen sexuellen Fantasien oder Wünschen zu zeigen, wende ich mich von meinem Partner/meiner Partnerin lieber komplett ab. Das ist allemal sicherer: So riskiert man nämlich weder Ablehnung noch Liebesentzug. Passieren tut dann allerdings gar nichts mehr.
Wenn Partner auch nach vielen Jahren noch offen und neugierig aufeinander sind, dann wird sich auch ihre gemeinsame Sexualität weiterentwickeln. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, das »sexuelle Restpotenzial« des Partners kennenlernen zu wollen. Und umgekehrt auch immer mehr von seinen eigenen sexuellen Wünschen zu zeigen. Dazu gehört schon ein bisschen Mut. Und ein gehöriges Maß an persönlicher Differenzierung.
Immer mehr ich werden: Differenzierung als Grundlage einer selbstbestimmten Sexualität
Es hört sich vielleicht etwas trivial an, dass eine Partnerschaft aus zwei Individuen besteht. Doch besonders in langjährigen Beziehungen gehen wir allzu oft davon aus, den anderen gut zu kennen.
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