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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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zwar im Preis. Und nur wer völlig naiv durch die Welt geht, denkt nun: Eh klar, Kindersachen sind kleiner, daher billiger!
    Heute verhält sich das oft konträr. Diesem Trend folgend, tragen auch die Eltern Meier „namenlose Billigware“, während auf des Sohnes Kleidung – gut sichtbar – Markennamen prunken. Und das kostet was, unter Umständen dreimal so viel wie die elterliche Kleidung!
    Der Sohn, sagen Vater und Mutter Meier, würde glatt in Depression verfallen, kaufte man ihm nicht die Textilien, die im Freundeskreis „in“ sind. Unten durch wäre er in der Klasse, trüge er nicht am Leib, was „alle anderen“ am Leib tragen! Könnte sogar sein, dass er dann verspottet würde. Jedenfalls würde sein Selbstwertgefühl leiden.
    Ist freilich traurig, sagen Vater und Mutter Meier, dass Kinder heute Selbstwertgefühl aus teurer gruppenkonformer Kleidung beziehen, aber daran ist ihnen nicht die Schuld zu geben, sie fallen eben, unerfahren, wie sie sind, auf Werbung rein. Nicht umsonst betreiben Klamotten-Erzeuger „Jugendforschung“, lassen Psychologen rauskriegen, worauf Kids abfahren, wie man sie werbend dazu bringt, Marken „megageil“ zu finden. Da muss, sagen Vater und Mutter Meier, leider „mithalten“, wer sein Kind liebt.
    Würden sich alle Väter und Mütter einer Schulklasse einmal zusammensetzen und ehrlich miteinander über den Irrsinn der Markennamen-Klamotten reden, käme wohl raus, dass fast alle nur „mithalten“, weil ihr Kind kein Außenseiter sein soll. Würden dann alle „Mithalter“ beschließen, nicht mehr „mitzuhalten“ und nur noch preiswerte Sachen zu kaufen, auch wenn darauf keine Markennamen prangen, wäre vielleicht der ganze Zirkus um überbezahltes Zeug bald zu Ende und Außenseiter wären die paar Kids, die dann noch als Werbefläche für „In-Firmen“ rumrennen.
    Aber bis es so weit wär’, sagen Vater und Mutter Meier, würde nervtötender Zwist mit den Kindern drohen. Also, bittschön, irgendwann in den nächsten Jahren wird der eh ausbrechen, denn mit dem Alter wachsen die In-Wünsche. Irgendwann ist Schluss mit dem „Mithalten“ durchschnittlich verdienender Eltern.

Etepetete-Sorgen
    Will man Kindern eine „erstklassige Erziehung“, samt angeblich dazugehöriger „sittlicher Ausdrucksweise“, angedeihen lassen, hat man es heute schwer, falls man mit ihnen nicht auf eine unbewohnte Insel ohne Radio und Fernsehen emigriert. Doch Anna, meine liebe Freundin, wollte das bis vor Kurzem absolut nicht einsehen.
    „Nein“, sagte sie jedes Mal, wenn ich Obiges behauptete, „man muss Kindern nur mit gutem Beispiel vorangehen, daran orientieren sie sich mehr als an allen schlechten Einflüssen, die von außen an sie herangetragen werden. In einer Familie, wo die Eltern nie ordinäre Wörter benutzen, lehnen auch die Kinder die Gossensprache ab!“
    Soweit ich es – bei Anna zu Besuch – kontrollieren konnte, stimmte das. Nicht einmal, als sich der Sohn mit dem Hammer auf den Daumen schlug, entfuhr ihm das gängige Sch… Bloß „Aua!“ rief er.
    Und einmal, als der Tochter zum Fluchen zumute war, rief sie „Himmel und Zwirn!“; wobei ich nicht sagen kann, ob ihr das wesentliche Mittelstück des Fluches unbekannt war oder ob sie es aus Sittlichkeit verschluckte. Und als die Tochter hinfiel, informierte mich der Sohn: „Sie ist auf ihr Gesäß geplumpst!“
    Doch nun ist urplötzlich und wie aus heiterem Himmel bezüglich Gossensprache ein riesiges Problem für Anna aufgetaucht. Von „außen“ natürlich, in diesem Fall von gegenüber. Anna wohnt nämlich einem Kino gegenüber. Und in diesem Kino spielt man seit drei Tagen den Film „Das kleine Arschloch“. Und nun stehen Sohn und Tochter immer am Fenster und starren zum Kino hinüber, über dessen Eingang in großen roten Buchstaben der Filmtitel prunkt. Und sie starren besonders kulleräugig, wenn scharenweise Menschen ins Kino drängeln.
    Anna versucht zwar, Sohn und Tochter vom Fenster wegzukriegen, aber Sohn wie Tochter zieht es immer wieder dorthin, als wären sie Eisenfeilspäne, denen gar nichts anderes übrig bleibt, als zum Magneten zu wandern.
    „Das gehört verboten“, sagte Anna heute zu mir, als ich bei ihr war. „Die Kinder sind total geschockt, weil da öffentlich steht, was man nicht sagen darf!“
    Na, geschockt kamen sie mir eigentlich nicht vor, sahen eher aus, als ob sie den Eingang zum Paradies anstarrten. Als Anna zwecks Kaffeezubereitung in der Küche war, deutete der Sohn

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