Liebe mit Schuss
beliebte.
Flohsack kam wieder angedackelt, und Jamie machte die Tür hinter ihm zu. Sie fragte sich, was Max wohl machte. Sie warf einen Blick hinauf zum Loft, wo sich, wie sie annahm, das zweite Bett befinden musste. »Max, bist du wach?«
Keine Antwort.
»Wahrscheinlich sitzt er in seinem Auto und quasselt mit seinem Computer«, vertraute sie dem Bluthund an. »Ach, du weißt das mit Max’ Computer ja noch gar nicht. Der ist ein Mädchen und heißt Muffin, das reinste Wunderkind, sag ich dir. Die findet dir im Handumdrehen einen guten Schönheitschirurgen.«
Sein Schwanz klopfte freundlich auf den Holzfußboden.
»Und mir vielleicht einen Psychiater. Ich rede mit Computern; ich rede mit Hunden.« Flohsack blickte mit Hängebacken zu seinem Fressnapf hin. »Oh, ach ja, Fütterungszeit, verstehe. Siehst du, ich bin in so was ziemlich unzuverlässig; man muss mich schon erinnern.« Sie hievte den Sack Hundefutter von der Küchentheke und schüttete ihm seinen Napf voll. »Das Frühstück ist serviert, Monsieur«, verkündete sie mit spitzen Lippen.
Flohsacks kummervoller Blick wich nicht von seinem Gesicht. »Jetzt hör mal zu, Junge: Das ist ein oberprima Fressi-Fressi. Davon wirst du fit wie ein Turnschuh und kriegst alle Vitamine obendrein.« Seine einzige Antwort war ein jämmerliches In-sich-Zusammensinken. »Na gut, du hast’s nicht so mit dem Frühstück. Ich brauche normal auch immer erst ein paar Tassen Kaffee, bevor ich irgendwas runterkriege. Und manchmal lasse ich’s ganz weg. Das gleiche ich dann später mit einem gesunden Hamburger aus. Aber das sollte ich dir eigentlich gar nicht verraten, immerhin muss ich dir ein Vorbild sein.«
Jamie entdeckte die Kaffeemaschine und machte sich eine Tasse. Dann setzte sie sich an den alten Kiefernholztisch und blickte sich ratlos um. Sie fühlte sich irgendwie ganz verloren und orientierungslos. Sicher lag das am Schlafmangel und an ihrer Nervosität; sie war sich nicht sicher, wie das die nächsten Tage mit ihr und Max unter einem Dach weitergehen würde.
Dann schob sie diese Gedanken resolut beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf ihr bevorstehendes Treffen mit Harlan Rawlins. In weniger als sechs Stunden. Ja, sie war nervös. Und wenn sie ehrlich war, machte sie sich Sorgen. Wenn sie nicht verdammt aufpasste, könnte sie sich schnell in irgendeinem Schlamassel wiederfinden. Nun, sie würde eben aufpassen und ihm immer eine Nasenlänge voraus sein.
Jamie ging schnell in ihr Zimmer und holte sich den Notizblock, den sie sich am Vortag mit all den anderen Sachen gekauft hatte. Den Kaffee in Reichweite, notierte sie sich ihre ersten Eindrücke von Harlan.
»Attraktiv und charismatisch«, schrieb sie. »Ein Mann, der sich darauf versteht, die Menschen in Bann zu schlagen«, fügte sie wild kritzelnd hinzu. Sie hatte im Verlauf ihrer Journalistenkarriere ihre eigene Form von Steno entwickelt. Harlan kam ihr ehrlich vor, im Umgang mit den weniger Begünstigten, aber seine Weibergeschichten und Mafiaverbindungen zeichneten ein ganz anderes Bild.
Jamie hielt inne und tippte sich mit dem Bleistiftende gegen die untere Zahnreihe, etwas, wofür Vera ihr immer die Hölle heiß machte. Mann, Vera würde ihr bei lebendigem Leib das Fell abziehen, wenn sie erst wieder in Beaumont wäre. Sie dachte an die Frau, die ihr nach dem Verschwinden ihrer Mutter so etwas wie eine Ersatzmutter geworden war; da hatte sie selbst noch in den Windeln gelegen. Vera, die immer für sie da war.
Von Vera hatte sie gelernt, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen, stark zu sein. Das war auch der Grund, warum sie so um ihre Zeitung gekämpft hatte. Sie hatte beinahe alles verkauft, was sie besaß, um das Blatt über Wasser zu halten, hatte schließlich gar ihren Stolz runtergeschluckt und zugegriffen, als sich ein Investor fand. Das war natürlich Max Holt gewesen. Max hatte ihr aus der Patsche geholfen und hatte ihr ein fettes Konto eingerichtet, sodass sie sich um die Zeitung nie mehr Gedanken machen müsste.
Jamie freute sich jetzt schon auf den Tag, an dem sie ihm den letzten Cent zurückzahlen konnte. Die Aussichten dafür mochten im Moment vielleicht nicht gerade rosig sein, aber sie war fest entschlossen.
Der Gedanke an Vera ließ unangenehme Schuldgefühle aufkeimen. Sie hatte kein Recht, der Frau solche Sorgen zu machen. Mit einem schweren Seufzer griff Jamie nach dem Mobiltelefon, das auf der Küchenanrichte lag. Sie hatte die Wahl. Sie konnte entweder Vera
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