Liebe mit Schuss
zu Hause anrufen und sich ordentlich die Leviten lesen lassen, oder sie konnte in der Zeitungsredaktion anrufen und ihr eine Nachricht hinterlassen, denn um diese Zeit war selbst Vera noch nicht dort.
Jamie entschied sich für die Redaktion. »Hallo, Vera, ich bin’s«, sagte sie in einem bemüht sorglosen, fröhlichen Ton, ganz so, als würde es ihr blendend gehen. »Wollte bloß mitteilen, dass ich meinen kleinen Urlaub in vollen Zügen genieße und mich prächtig erhole. Und ich werde eine tolle Story mitbringen. Ich melde mich bald wieder, bitte mach dir keine Sorgen um mich.« Sie hängte ein und betrachtete Flohsack mit einem kummervollen Blick.
»Siehst du? Ich bin eine erwachsene Frau und muss mich immer noch auf Schritt und Tritt rechtfertigen. Und das liegt nur daran, weil ich immer so unglaublich vernünftig war. Bis Max aufgetaucht ist. Bevor er auf der Bildfläche erschien und mein Leben völlig durcheinander gebracht hat, war ich die Vernunft in Person. Und an Sex habe ich fast nie gedacht. Existierte nicht in meinem Wortschatz. Verstehst du, ich brauche einfach Routine. Alltag. Sicherheit.« Und den morgendlichen Kaffee in ihrer Lieblingstasse, die mit dem Strahlegesicht. Und ihren Lümmelsessel vor dem Fernseher. So einfache Sachen, die einem das Leben schön machten. Dove-Seife, zum Beispiel. Sie nahm nur Dove. Den Duft dieser Seife assoziierte sie mit einer ihrer frühsten Kindheitserinnerungen.
Ob ihre Mutter die benutzt hatte? Das hatte sie sich schon hundertmal gefragt. Fraglich, denn sie war kaum zwei gewesen, als ihre Mutter sich aus dem Staub gemacht hatte. Vielleicht hatte sie es sich bloß eingebildet. Woran sie sich aber erinnerte, als wäre es gestern gewesen, war, als sie auf den Speicher geschlichen und in einer alten Schachtel mit den Sachen ihrer Mutter herumgekramt hatte. Dort hatte sie auch die Dove-Seife gefunden. Sie hatte sie genommen und unter ihrer Unterwäsche versteckt. Sie hatte sie gelegentlich rausgenommen und daran geschnuppert.
Selbst jetzt noch hatte sie immer ein Stück auf dem Nachttischchen, damit sie den feinen, sauberen Duft riechen konnte, wenn sie sich nachts herumdrehte. Nicht mal zum Baden nahm sie was anderes. Und die alte Dove-Seife steckte immer noch zwischen ihrer Unterwäsche. So albern ihr das auch vorkam, aber es ärgerte sie, dass sie gestern vergessen hatte, welche zu kaufen.
Jamies Magen knurrte vernehmlich. Sie trat hinter den Küchentresen und holte sich einen Keks aus einer Keksdose mit Hähnen drauf, passend zu den anderen Vorratsdosen daneben. Der Kaffee machte sie nicht munter. Wo zum Teufel steckte Max? Sie kletterte die schmale Stiege zu seinem Loft hinauf.
Das Bett war zerwühlt und leer. Jamie strich mit der Hand über das glatte Laken. Auf dem Kissen war noch der Abdruck von Max’ Kopf zu sehen und es roch schwach nach seinem Aftershave. Sie pflückte ein schwarzes Haar weg und versuchte sich nicht vorzustellen, wie Max warm und nackt unter der Bettdecke lag.
Jetzt geht das schon wieder los, dachte sie.
Was war bloß los mit ihr? Sie war scharf auf einen Mann, das war es. Ihre Hormone spielten verrückt. Oder vielleicht war sie ja nur deshalb so schwach, weil sie noch so müde war.
Sie starrte das leere Bett an. Es sah so einladend aus. Vielleicht nur ein Viertelstündchen … Sie ließ sich auf die weiche Matratze sinken, vergrub die Nase in Max’ Kissen und war auch schon eingeschlafen.
SIEBEN
Harlan Rawlins strich mit der Hand über sein perfekt frisiertes Blondhaar und rückte seine Krawatte zurecht. Er trug ein maßgeschneidertes weißes Hemd von einem bekannten europäischen Modedesigner. Es schmiegte sich wundervoll an seinen sorgfältig bemuskelten Torso und hob überdies seine Sonnenbräune hervor. Er arbeitete hart an dieser Bräune, ebenso wie an dem durchtrainierten Body. Gewöhnlich ging er mit achtzehn Lastern auf Tour, die seine Zelte und andere Ausrüstungsgegenstände transportierten, und einer dieser Trucks enthielt einen komplett eingerichteten Fitnessraum, dazu eine transportable Sprudelwanne sowie eine Ganzkörpersonnenbank.
Zu seinem Begleitpersonal gehörte unter anderem ein persönlicher Fitnesstrainer, ein Masseur und dazu ein Koch, der dafür sorgte, dass Harlan nur die besten, gesündesten Speisen aß. Außerdem verfügte er über eine eigene PR-Beraterin, welche sich um die nötigen Lizenzen in den jeweiligen Bundesstaaten kümmerte sowie mit den lokalen Zeitungen, Radio- und TV-Sendern Verbindung
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