Liebe mit Schuss
Schweigen.
»Nun ja, das scheint wirklich Ihr Wagen zu sein«, sagte Jamie kleinlaut. »Ich dachte, er gehört, äh, jemand anderem.«
Seine Miene war vollkommen unbewegt. Jamie war klar, wie einfach es für ihn wäre, ihr eine Pistole an den Kopf zu halten und ihr zu befehlen, einzusteigen. Max hätte keine Ahnung, was mit ihr geschehen wäre.
»Ich dachte, er gehört der Frau, mit der sich mein Mann trifft«, sagte sie schließlich. »Ich kenne mich nicht sehr gut mit Autos aus, aber der hier sieht ganz genauso aus wie ihrer. Bloß, ich glaube nicht, dass sie Hunde hat.«
Seine Hand schnellte vor und er entriss ihr den Notizblock, warf ihn auf den Fahrersitz und schlug die Tür zu.
Bevor sie protestieren konnte, hatte er die Zentralverriegelung einrasten lassen.
»He, geben Sie mir den Block zurück«, rief sie. »Da sind alle meine Notizen drin.«
Er wandte sich ab und dem Eingang der Bar zu. Die Hunde fingen wieder zu bellen an. Jamie geriet in Panik. Das fehlte ihr gerade noch, dass Nick Santoni oder einer seiner Männer in den Besitz ihrer Notizen gelangte. »Moment mal! He, Sie!«, rief sie. »Sie können mir doch nicht einfach meinen Notizblock wegnehmen!«
Er steckte sich eine Zigarette an und blies ihr den Rauch ins Gesicht. »Zeigen Sie mich doch an«, sagte er seelenruhig, »aber bleiben Sie verdammt noch mal von meiner Karre weg.« Nachdem er sie mit einem abschließenden, langen Blick bedacht hatte, wandte er sich ab und ging.
»Verfluchter Mist!«, rief Jamie. Was sollte sie jetzt machen? Den Wagen aufbrechen kam ja wohl kaum infrage; die Hunde würden sie zerfleischen, bevor sie den Notizblock auch nur berühren konnte. Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden, rannte sie zum Wagen von Bennett Electric zurück. Erst nachdem sie drinnen saß und sämtliche Türen verriegelt hatte, fiel ihr ein, dass sie ja noch mal einen Blick auf das Nummernschild hätte werfen und es hier drin hätte aufschreiben können. Nein, sie konnte es nicht noch einmal riskieren, dort hinzugehen oder auch nur mit dem Wagen vorbeizufahren. Wenn Michael sie sähe, würde er sofort Verdacht schöpfen.
Jamie traf Michael um Punkt halb neun vor dem Italiener. Er lächelte ihr zu und umarmte sie erfreut. »Wo hast du deinen Wagen?«, fragte er, auf das vertrauliche Du übergehend.
Sie deutete in die entsprechende Richtung. »Dort drüben. Mein Pick-up hat Mätzchen gemacht, also habe ich mir den Wagen von einem Freund geborgt.«
»Ein Freund?«, sagte Michael gedehnt, beide Brauen hochgezogen. »Sollte ich jetzt eifersüchtig werden?«
»Mein Freund ist ein glücklich verheirateter Mann.« Jamie war überrascht, dass er so guter Laune war, wo es doch gerade mit einem Erpresser zu tun gehabt hatte. »Alles in Ordnung?«
»Wie? Ach ja, alles gebongt.«
»Wie, gebongt?«
»Ich hab ihm gesagt, dass ich zur Polizei gehe, wenn er sich noch mal blicken lässt.«
Jamie starrte ihn verblüfft an. Leute wie Nick Santoni konnte man nicht schrecken, indem man damit drohte, zur Polizei zu gehen. Das wollte sie ihm gerade sagen, doch er wechselte das Thema.
»Weißt du, wenn du mal so weit bist, deine Rostlaube abzustoßen, dann kann ich dir einen erstklassigen Wagen verschaffen. Ich habe einen Freund, der in der Branche tätig ist.«
»Flohsack liebt den Pick-up«, wehrte sie ab.
»Dann kauf ihm eben einen neuen Pick-up. Ich hoffe, du hast Hunger mitgebracht. Das Essen hier ist fantastisch. Ich würde das Lokal zu gerne übernehmen, aber Gino will es nicht hergeben. Familienbetrieb und so, du weißt schon, er leitet es zusammen mit seiner Frau. Aber er kommt kaum über die Runden, der arme Kerl.«
Jamies Blick fiel auf all die Leute, die vor dem Lokal anstanden. »Sieht mir nicht so aus.«
»Nein, aber er hat enorme Nebenkosten. Außerdem machen ihm irgendwelche Hooligans zu schaffen. Dies ist nicht gerade die beste Gegend. Und um die Wahrheit zu sagen, ich halte die beiden guten Leutchen für nicht sehr geschäftstüchtig. Wenn der Laden mir gehören würde, ich würde einen Riesenprofit rausholen.«
»Ich hoffe, du hast einen Tisch reserviert.«
»Unnötig.« Er bot ihr seinen Arm und sie hakte sich bei ihm unter. Dann führte er sie ins Lokal, in dem es verlockend nach Knoblauch, italienischer Salami und frisch gebackenem Brot roch. Kellnerinnen in Tracht wuselten um die voll besetzten Tische, und ein kleiner Glatzkopf wischte hektisch den einzigen freien Tisch ab, den es noch gab.
»Warte kurz«, sagte Michael.
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