Liebe, nichts als Liebe
nachzudenken.
Rafael Santiso schickte sich ins Unvermeidliche und nahm auf dem Stuhl am anderen Ende des Tisches Platz.
Elizabeth dachte an die langen, einsamen Jahre seit Lachlans Tod und an die Jahre, die noch vor ihr lagen. Ihre Söhne brauchten sie nicht mehr. Sie hatten alle gute Frauen gefunden. Und die Enkelkinder ... würden sie die Leere in ihrem Leben gänzlich füllen können? Lachlans Erbe würde weitergegeben werden. Es blieb nichts mehr zu tun.
Andererseits war es auch möglich, dass Rafael sie belog. Einen „Meister der Manipulation" hatte Jared ihn genannt. Aber was konnte so Schlimmes passieren, wenn sie einen Abend mit ihm verbrachte? Sie würde sich nicht verführen lassen, weder körperlich noch gefühlsmäßig. Ein Abend verpflichtete sie zu gar nichts. „Danke, Vikki", sagte sie, als die alte Chinesin die Erfrischungen auf den Tisch gestellt hatte.
„Bereiten Sie kein Abendessen für mich vor. Mr. Santiso hat mich eingeladen, ihm beim Essen im ,Cable Beach Resort' Gesellschaft zu leisten. In der Nolan-Suite." Sie blickte lächelnd in Rafaels dunkle Augen, die triumphierend aufleuchteten. So einfach wirst du es nicht mit mir haben, Rafael, versprach sie ihm insgeheim. „Und ich vermute, er wird mir die Sydney-Nolan-Gemälde zeigen, nach der die Suite benannt ist."
10. KAPITEL
Sie waren so gelassen, so überzeugt, dass sie mit allem fertig werden könnten - Jared, Nathan und sogar Miranda, Nathans Frau, die gerade mit heiterer Miene den Kaffee nach dem Abendessen servierte. Der Anruf um sechs mit den neuesten Nachrichten aus Broome hatte sie nicht im Mindesten beunruhigt.
Christabel hätte die drei am liebsten angeschrien, dass sie nicht wussten, was für ein Mann Rafael Santiso war. Sie wusste genau, wie dieser Abend mit Elizabeth King enden würde. Schon morgen am Tag würde Santiso hier mit Elizabeths Segen auf
„King's Eden" auftauchen, ohne mit irgendeinem Widerstand rechnen zu müssen. Dann würde er alle überzeugen, dass er sie, Christabel, und Alicia wieder nach Europa mitnehmen musste. Nur zu ihrem Besten natürlich. Ein Mann, der Bernhard Kruger dazu überreden konnte, ihn zum alleinigen Treuhänder seines gewaltigen Erbes zu bestimmen, konnte jeden zu allem überreden - und immerhin hatte er sechshundert Millionen Gründe, sich ins Zeug zu legen.
Die Vorstellung, in das gefängnisähnliche Herrenhaus in Amsterdam oder auf die wie eine Festung bewachte griechische Insel zurückzukehren, ließ Christabel erschaudern, so dass sie fast den Kaffee verschüttete. Mit zittrigen Fingern stellte sie die Kaffeetasse auf den Tisch.
„Vielleicht ist Kaffee heute Abend nicht gerade das Richtige. Er wird dich wach halten", meinte Jared und stand auf. „Wie wär's mit einem kleinen Spaziergang, Christabel? Etwas frische Luft und Bewegung werden dir vor dem Schlafengehen gut tun."
„Ja, gern", sagte sie dankbar.
„Ich sehe nach Alicia", bot Miranda an.
„Danke." Christabel sprang nervös auf. „Sollte sie aufwachen ..."
„Werde ich mich um sie kümmern", versicherte Miranda ihr lächelnd. „Es ist mir eine Freude, Christabel. Ich kann nur hoffen, dass ich es schaffe, unser Kind so gut zu erziehen, wie Sie es mit Alicia getan haben."
Der großen, schönen Blondine sah man die Schwangerschaft gerade erst an, und es war offensichtlich, dass sie und Nathan sich wahnsinnig auf ihr Baby freuten. Für einen Moment wurde Christabel von heftigem Neid gepackt. Laurens wäre als Vater nutzlos gewesen. Schlimmer als das, verheerend. Wohingegen Nathan bestimmt ein genauso lieber und fürsorglicher Vater sein würde wie Jared ... Jared, der immer noch nicht einsehen wollte, dass Alicias Erbe alles hoffnungslos verkomplizierte.
Christabel nickte Miranda zu. „Sie sind sehr freundlich." Seit sie auf „King's Eden"
angekommen waren, hatte Miranda Alicia ganz selbstverständlich unter ihre Fittiche genommen und ihr die Farm gezeigt, während Christabel Jared und Nathan ihre Situation erläutert hatte.
Keiner der beiden hatte die Sache auf die leichte Schulter genommen. Dennoch hatte es Christabel erstaunt, wie gelassen sie die Fakten akzeptiert hatten, um dann in aller Abgeklärtheit Pläne zu schmieden, die sicherstellen sollten, dass ihre, Christabels, Entscheidungen respektiert werden würden. Sie schienen an dem Ausgang nicht zu zweifeln, und Christabel wollte fast selber daran glauben, bis Elizabeths Anruf um sechs Santisos geschicktes taktisches Vorgehen aufgedeckt hatte, direkt
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