Liebe oder so
oder? Ich meine damit, dass niemand davon zu erfahren braucht. Wäre schlecht fürs Geschäft, verstehst du?“
„Nein. Ist mir aber trotzdem Recht.“ Ich steckte das Geld ein und ging.
Auf dem Weg kaufte ich ein paar gute Flaschen, mir war nach Feiern zumute. Leos Mutter war immer noch da, er selbst nicht. Ich plauderte eine Weile mit der Frau und konnte anschließend nachvollziehen, weshalb er es vorgezogen hatte, fünf Autostunden von seinem Heimatort entfernt zu studieren, obwohl er zu Hause die beste Uni direkt vor der Nase hatte.
„Und wie steht es mit Ihnen?“, fragte sie mich gerad eheraus. „Haben Sie auch so wenig Kontakt zu Ihren Eltern?“
„ Sie sind tot“, sagte ich.
„Oh.“
„Ist lange her“, fügte ich an, als ich ihr entsetztes Gesicht sah, „ich war noch klein damals.“
„Es tut m ir leid.“
„Das mit den Anrufen würde ich nicht überbewerten“, versuchte ich das Gespräch abzubiegen. „ Ist vielleicht eine Frage der Generation.“
„Als ob man ihm was Böses wolle“, sagte sie, „dabei will man doch nur wissen, ob es ihm gut geht, so ein Telefonanruf ist doch nicht zu viel verlangt .“ Bekümmert kratzte sie mit dem Fingernagel ein paar Krümel aus den Fugen der Anrichte.
„Nein, ist es wohl nicht“, murmelte ich. Meine Hoc hstimmung war im Eimer. Ich hinterließ eine Nachricht für Leo und stapfte durch den Schneematsch nach Hause. In meiner Tüte klirrten die Flaschen aneinander, ich vergrub meine Hände in den Hosentaschen und beeilte mich, ins Warme zu kommen.
36
Zwischen Marie und mir war noch nicht alles wieder im Lot, aber wir näherten uns vorsichtig wieder einander an und gaben uns große Mühe miteinander. Sie blieb des Öfteren über Nacht und nahm sich so viel Zeit für mich wie möglich, und ich ließ sie wegen Jochen in Ruhe.
Außerdem wohnte Carolin immer noch bei mir, ich bekam sie aber nur ab und an zu Gesicht. Sie und Armin hatten sich wegen der Sache in Holland verkracht, sie unternahm jetzt viel mit diesem Oliver, wie sie mir erzählt hatte.
„Er arbeitet als Sachbearbeiter bei einer Versicherung, wenn du’s genau wissen willst.“
„Will ich gar nicht“, antwortete ich.
Die Nacht in Amsterdam schien sie tatsächlich abg ehakt zu haben. Ich war mir nicht sicher, ob ich über diese Tatsache glücklich oder sauer sein sollte, die Geschichte nagte ein wenig an meinem Ego. Etwas hatte sich verändert, wir waren nicht mehr die Alten, obwohl unser Umgang miteinander der gleiche zu sein schien wie vorher. Wir waren nicht allzu weit gegangen, trotzdem stellte ich mir eine Menge Fragen. Aber Marie war das wunderbarste Pflaster für diese Wunde, die im Übrigen nicht sonderlich groß zu sein schien.
Wir verbrachten in diesen Januarwochen viel Zeit mit einander, sie war wie auf Speed. Ständig kam sie mit neuen Ideen an, ich hatte Mühe, da mitzuhalten. An einem Tag Mitte Februar besuchten wir die Vernissage eines Freundes, als ihr von einer Sekunde auf die andere einfiel, sie wolle noch die Enten im Park füttern, sie hätte es - wem auch immer - versprochen.
Also kauften wir unterwegs ein kleines Weißbrot, und ich stellte mir einen netten Winterspaziergang vor, um den Tag abzurunden. Doch kaum waren wir angekommen, zerfetzte sie das Brot am Teichrand und hetzte mich gleich weiter in die Stadt, wo eine Bekannte ihr ein Paar Schuhe reserviert hatte, die sie unbedingt anprobieren musste.
Wir aßen bei einer Außentemperatur von unter Null auf die Schnelle was im Stehen, dann zog sie mich ins nächste Kino. Der Film lief schon, aber das war sowieso egal, weil wir in der letzten Reihe rumknutsc hten und uns an die Wäsche gingen.
Leider waren wir dabei zu laut. Meine Hose stand bereits offen, als uns der Strahl einer Taschenlampe ins Gesicht traf und der Besitzer uns rauswarf. Marie hätte sich kaputtlachen können, sie schnappte sich die Schlüssel und raste mit hundert Sachen quer durch die Stadt, um mir diesen sagenhaften Butterkuchen zu spendieren, von dem man angeblich wenigstens einmal im Leben kosten musste.
Natürlich hatte die Bäckerei schon geschlossen, aber das war nicht weiter schlimm, denn das mit dem Kuchen hatte sie ohnehin längst vergessen, schon hetzten wir aufs Land, um den Sonnenuntergang über den verschneiten Feldern noch zu erwischen.
Ich fror wie ein Schneider, aber ihre Begeisterung und die Energie, die sie an den Tag legte, sprangen auf mich über. Für ihr glückliches Gesicht nahm ich ein paar blaue
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