Liebe ohne Schuld
vorbeizuschauen. Das konnte nie schaden.
Zwei Stunden später hielten die Köchin, Mrs. Ringlestone, und das Hausmädchen Ruby Einzug in Hobhouse.
»Sie hat Schüttelfrost«, empfing Mrs. Ringlestone Burke, als dieser nach kurzer Abwesenheit wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte. »Die arme Kleine! Versuchen Sie doch einmal, ob Sie ihr ein bißchen von meiner Rinderbrühe einflößen können. Von mir will sie nichts nehmen.«
Burke nickte nur und setzte sich auf den Bettrand. »Komm, Arielle!« mahnte er energisch, weil er wußte, daß sie auf zaghaftes Reden nicht reagieren würde. »Mach den Mund auf!«
Sie schien ihn nicht gehört zu haben.
»Mach augenblicklich den Mund auf!«
Diesmal gehorchte sie, und es gelang ihm, ihr eine halbe Tasse Suppe einzuflößen. Mrs. Ringlestone fand das Verfahren zwar etwas brutal, doch sie sagte nichts. Es war schließlich die Hauptsache, daß er Erfolg gehabt hatte.
»Das wird eine lange Nacht werden«, meinte sie.
Es wurde die längste Nacht in Burkes Leben. Gegen Morgen war er überzeugt, daß Arielle sterben würde. Er konnte nichts weiter tun, als zu warten. Manchmal warf sie sich unruhig im Bett hin und her und dann war sie wieder still und leichenblaß, daß er es kaum mitansehen konnte und fast an seinen Tränen erstickte. Als er endlich in eine Art Erschöpfungsschlaf verfiel, lagen seine Finger immer noch auf ihrem Puls, um sich zu vergewissern, daß sie noch lebte.
»Ich möchte gern wissen, weshalb sie sich so aufgibt? Ich verstehe es nicht! Sie ist jung, schön und offensichtlich noch nicht lange verheiratet. Also, was ist der Grund für dieses Verhalten?«
Doktor Armbruster hatte eigentlich mehr zu sich selbst gesprochen, doch plötzlich wußte Burke, was er zu tun hatte. Er sprach einige Zeit mit dem Arzt, worauf dieser seinen längst überfälligen Besuch bei dem Pfarrer machte.
Während Burke wartete, kühlte er Arielles Stirn pausenlos mit dem feuchten Tuch. Er hatte herausgefunden, daß leises Reden Arielle beruhigte. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß sie ihn trotz allem hörte und auch verstand. »Wie du weißt, war mein Bruder ein sehr liebenswerter und lustiger Mensch. Allerdings konnte er auch sehr eigensinnig sein, und meistens war ich sein Opfer. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte keine Macht der Welt ihn davon abbringen, und ich erst recht nicht. Ich erinnere mich, daß ich eines Tages ein Pony namens Victor geschenkt bekam. Vom ersten Augenblick an war Montrose neidisch und wollte es haben, doch es gehörte nun einmal mir, und ich hätte es auch um nichts in der Welt hergegeben. Weißt du, was mein Bruder getan hat?«
»Mylord, der Pfarrer ist hier«, meldete Mrs. Ringlestone.
»Nun, den Pfarrer hat mein Bruder natürlich nicht gerufen«, sagte Burke und wandte sich rasch dem schmächtigen, alten Mann mit dem schütteren Haar zu, der ein sanftes, leicht ermüdetes Lächeln zur Schau trug. »Es ist sehr gut, daß Sie gekommen sind, Sir«, begrüßte ihn Burke. »Bitte, nehmen Sie Platz. Ich muß etwas Wichtiges mit Ihnen besprechen.« Und dann unterbreitete er dem Pfarrer seine Bitte.
Der alte Mann konnte Burkes Schilderung der Situation nur zustimmen. »Ich muß allerdings den Bischof um Erlaubnis fragen, Mylord, aber …«
»Sie sehen ja selbst, daß die Zeit drängt. Möglicherweise stirbt sie schon bald.«
»Oh, ja, natürlich! Sie haben recht. Was schlagen Sie vor?«
»Halten Sie einfach die Zeremonie ab. Ich werde persönlich mit dem Bischof sprechen, sobald es ihr besser geht oder sie …« Er konnte das Wort nicht aussprechen, doch schließlich zwang er sich, fortzufahren. »Mit Sicherheit ist der Bischof einverstanden, denn schließlich handelt es sich um einen absoluten Notfall.«
»Es ist höchst ungewöhnlich, Mylord, aber – nun, ich kann eigentlich auch nichts Böses daran entdecken. Bestimmt bekommen wir nachträglich die Genehmigung.«
»Ich werde die Zeugen holen.«
»Aber wird sie denn antworten können, Mylord?«
»Ganz bestimmt!« versicherte Burke. »Während Sie sich vorbereiten, Sir, werde ich die Frauen holen.«
Etwa dreißig Minuten später saß Burke neben Arielle auf dem Bett und hielt ihre Hand. Sie lag im Delirium, doch im Augenblick war das vielleicht sogar gut. Doktor Armbruster stand auf der anderen Seite des Betts, und Mrs. Ringlestone und Ruby hatten sich hinter dem Pfarrer aufgestellt.
»Liebe Anwesende«, begann der Pfarrer, »wir haben uns hier versammelt, um diese beiden
Weitere Kostenlose Bücher