Liebe ohne Skrupel
bitte. Ich muß wirklich zurück an die Arbeit.« Er machte auf dem Absatz kehrt und stapfte zurück zu den anderen Männern, die immer noch um die Mühle herumstanden.
Cläre sah ihm einen Augenblick lang traurig nach. Nützlich.
Sie war schon immer nützlich gewesen. Sie war ihrer Mutter nützlich gewesen, die die Last der Verantwortung für die Burg getragen hatte, während ihr Mann durch die Welt gereist war, um sich weiteres Wissen anzueignen.
Sie war ihrem häufig geistesabwesenden, gelehrten Vater nützlich gewesen, der es vorgezogen hatte, in Paris und Spanien seine Studien zu verfolgen, statt seiner Rolle als Ehemann und Vater und Herr von Desire gerecht zu werden.
Sie war ihrem Bruder nützlich gewesen, der sich mehr für die Aufregungen und den Spaß von Turnieren begeistert hatte als für die Ländereien, die er eines Tages hätte erben sollen.
Sie war Raymond de Coleville nützlich gewesen, der sich neben seinen Studien mit einer harmlosen Liebelei hatte amüsieren wollen.
Nicholas of Seabern hatte gedacht, sie wäre ihm eine nützliche Frau, die seine Taschen füllen würde.
Sie war Thurston of Landry nützlich, der die Einkünfte von Desire zu schätzen wußte.
Und jetzt schien auch der Höllenhund von Wyckmere sie nützlich zu finden.
Das war nicht gerade ein angenehmer Gedanke, aber Clare fürchtete, daß es Schlimmeres gab, als nützlich zu sein.
Wie zum Beispiel, sich in einen Mann zu verlieben, der Liebe nicht besonders nützlich fand.
An diesem Nachmittag fand Clare endlich einmal wieder Zeit, um in ihr Studierzimmer zu gehen. Sie eilte die Treppe hinauf, bog um die Ecke und stieß plötzlich mit Dallan zusammen.
»Huch.« Clare streckte eine Hand aus, während sie einen Schritt zurückwankte.
»Lady Clare. Ich bitte Euch um Verzeihung.« Irgend etwas anderes als bloße Überraschung blitzte in Dallans Augen auf, vielleicht Angst.
Sie grinste. »Was machst du denn hier oben, Dallan? Ich dachte, du hilfst Lord Gareth bei seinen Experimenten?«
»Verzeihung, Mylady.« Er sah sich nervös um und wandte sich dann erneut an sie. »Ich habe Euch nicht kommen gehört.«
»Ich bin auf dem Weg in mein Studierzimmer.«
»Oh.« Dallan wischte sich die Hände an seiner Tunika ab. »Ist alles in Ordnung?«
»Mach dir keine Sorgen. Mir ist nichts passiert.« Clare runzelte die Stirn. »Aber mit dir stimmt etwas nicht, Dallan.«
»Nein, nein, Madam.«
»Bist du dir sicher? Du wirkst seit dem Frühjahrsmarkt äußerst niedergeschlagen. Bist du sicher, daß du deiner hübschen kleinen Alison nicht nachtrauerst?«
»Alison?« Dallan wirkte leicht verwirrt. »Nein, Mylady. Ich trauere ihr nicht nach.«
»Bestimmt nicht?«
»Nein, Madam. Bestimmt nicht.«
»Hast du dann vielleicht irgendein anderes Problem?«
»Nein, Madam.« Dallan zögerte, doch dann straffte er die Schultern. Seine Augen blickten traurig, beinahe verzweifelt. »Lady Clare, ich habe Euch noch nie für Eure Freundlichkeit mir gegenüber gedankt. Das möchte ich jetzt tun.«
Cläre lächelte. »Ich bin diejenige, die zu danken hat, Dallan. Du hast unser aller Leben mit deiner Musik und deinen Gedichten verschönert. Und ich weiß, daß Lord Gareth sehr froh ist, daß du ihm bei seinen Experimenten hilfst.«
»Er ist sehr klug«, flüsterte Dallan. »Genau wie Ihr, Mylady. Es war mir eine Ehre, Euch zu dienen.«
»Nun, danke, Dallan.«
»Bitte entschuldigt mich, Madam«, sagte Dallan leise. »Ich muß jetzt gehen. Seine Lordschaft erwartet mich bestimmt schon.«
»Dann nichts wie los. Ich sehe dich ja dann beim Abendessen.«
»Auf Wiedersehen, Mylady. Und danke nochmals für all Eure Freundlichkeit. Ich habe sie nicht verdient.«
»Unsinn, natürlich hast du sie verdient.« Clare ging den Flur hinab zu ihrem Studierzimmer.
Sie öffnete die Tür und trat ein. Irgend etwas ließ sie zögern. Sie drehte sich um und blickte noch einmal zurück. Dallan sah ihr mit einem wehmütigen Blick nach. Sie schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln, trat noch einen Schritt vor und schloß die Tür hinter sich.
Sie ging hinüber zu ihrem Schreibtisch, setzte sich und stützte das Kinn auf ihre Hände. Dann dachte sie lange über die Art und Weise nach, in der Dallan sich für ihre Freundlichkeit bedankt hatte.
»Es war wirklich eigenartig, Gareth«, sagte Clare, als sie beide abends allein in ihrem Schlafgemach waren. »Es war, als hätte er sich von mir verabschiedet.«
»Wer hat sich verabschiedet?« Gareth blickte noch nicht
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