Liebe ohne Skrupel
Raymond de Coleville, so war er zumindest ehrlich. Anders als Raymond hatte er sie nicht bewußt in die Irre geführt.
Auf der anderen Seite des Vorhangs rührte sich wieder etwas. Clare richtete sich auf, schob die Decke zurück und lehnte sich an die Kissen. Schließlich konnte sie sich nicht den ganzen Tag unter der Bettdecke verstecken.
Sie streckte eine Hand aus und strich gedankenverloren über das zerwühlte Laken. Das Tor zur Hölle war verschwunden. Zweifellos steckte es inzwischen wieder sicher in der Scheide.
Cläre zuckte zusammen, als sie daran dachte, wie Gareth mit seinem Schwert das Bett geteilt hatte. Von nun an würde sie immer, wenn sie die Klinge sah, an ihre Torheit in der Hochzeitsnacht denken.
Andere Männer hätten bestimmt in einer Situation wie der, die sie letzte Nacht heraufbeschworen hatte, die Geduld verloren. Andere Männer wären bestimmt gewalttätig geworden.
Aber nicht Gareth. Es stimmte, er war wütend gewesen, aber er hatte sich von seinem Ärger nicht überwältigen lassen.
Sie hatte einen Mann geheiratet, dessen Selbstbeherrschung ebenso groß war wie seine körperliche Kraft.
Cläre holte tief Luft. Irgendwann mußte sie ihm gegenübertreten und sich entschuldigen. Am besten brachte sie es gleich hinter sich. Es war noch nie ihre Art gewesen, eine unangenehme Verpflichtung hinauszuschieben.
»Mylord, ich möchte Euch sagen, daß mir das, was letzte Nacht passiert ist, sehr leid tut.«
»Mir auch.«
Sie wünschte sich, sie könnte sein Gesicht sehen. Sein Ton war so kühl und trocken, daß es ihr unmöglich war, seine Gedanken zu erraten. Also sprach sie einfach weiter. »Mir ist durchaus bewußt, daß ich meine Pflicht als Ehefrau nicht erfüllt habe. Wie ich Euch bereits erklärt habe, hatte ich meine
Gründe dafür, aber heute morgen bin ich zu dem Schluß gekommen, daß ich vielleicht nicht unbedingt logisch und vernünftig vorgegangen bin. «
»Mit anderen Worten, Ihr seid zu dem Schluß gekommen, daß die Freuden körperlicher Leidenschaft interessanter sind als das intelligente Vergnügen an Freundschaft und Vertrauen?«
»Oh, nein, das wollte ich damit bestimmt nicht sagen«, beeilte sie sich zu erklären. »Ich denke immer noch, daß unsere Ehe sich auf Vertrauen und Freundschaft gründen sollte. Es ist nur so, daß ich mir heute morgen nicht mehr so sicher bin, daß ich gestern nacht auf die richtige Art versucht habe, diese Dinge zu erreichen.«
Ohne Vorwarnung riß Gareth den Vorhang auf. Er stand vor dem Bett und sah sie nachdenklich an. Clare bemerkte, daß er sein Hemd anhatte, aber daß er immer noch barfuß war. Seine Finger umschlossen einen kleinen Gegenstand, den sie nicht erkannte.
»Wollt Ihr mir damit etwa sagen, daß Ihr über Nacht plötzlich Vertrauen zu Eurem Ehemann gefaßt habt?« fragte er in neutralem Ton.
Sie zögerte, da sie wußte, daß er sie bewußt verspottete. Dieses Wissen schmerzte. Sie richtete sich auf und versuchte, seinem Blick mit Würde zu begegnen. »Ich möchte, daß wir noch einmal von vorne anfangen, Mylord. Ich bin bereit, Euch eine gute Frau zu sein und die Ehe zu vollziehen.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Ich vertraue Euch in vielerlei Hinsicht, Gareth.« Sie machte eine Handbewegung, die das Zimmer und alles, was darüber hinausging, einschloß. »Ich vertraue darauf, daß Ihr dieses Anwesen schützen werdet. Ich vertraue darauf, daß Ihr Eure Pflicht gegenüber den Menschen auf der Insel erfüllt. Ich glaube, daß Ihr ein weiser und großzügiger Herr sein werdet.«
»Ist das alles?«
Sie bedachte ihn mit einem hoffnungsvollen Lächeln. »Mir scheint, daß das doch für den Anfang eine ganze Menge ist, Sir.«
»Ja. Aber ich will mehr, Madam.« Er blickte sie aufmerksam an. »Wie ich sehe, habt Ihr inzwischen eingehend über unsere Ehe nachgedacht.«
»Ich habe letzte Nacht Stunden damit verbracht«, versicherte sie ihm.
»Ich habe mir auch fast die ganze Nacht Gedanken über unsere gemeinsame Zukunft gemacht. Ich bin ebenfalls zu einem Entschluß gekommen, und Eure Entschuldigung ändert nichts daran.«
Sie sah ihn argwöhnisch an. »Zu was für einem Entschluß seid Ihr gekommen?«
»Das Schwert bleibt nachts zwischen uns, bis Ihr sicher seid, daß Ihr mir voll und ganz vertraut, vor allem, was meine Rolle als Ehemann angeht.«
»Ich vertraue Euch.«
»Nein, Madam, das tut Ihr nicht. Letzte Nacht habt Ihr mir deutlich zu verstehen gegeben, daß Ihr der Überzeugung seid, ich könne
Weitere Kostenlose Bücher