Liebe ohne Skrupel
nach, die über einen der Wege bis zu dem großen, viereckigen Beet dunkelgrüner Minze gingen, das neben einer Steinwand lag. Es war sofort zu erkennen, daß jemand darauf herumgetrampelt haben mußte. Der Geruch zerriebener Minze hing schwer in der Luft.
»Irgendwer muß vor kurzem hier gestanden haben-, sagte Gareth. Er ging um das Beet herum und untersuchte es von allen Seiten. Dann blickte er zu dem Fenster in der Mauer. »Und hinter dieser Wand befindet sich die Bibliothek?«
»Ja«, sagte Margaret leise.
»Ich würde gerne mal einen Blick hinein werfen, wenn Ihr nichts dagegen habt, Madam.«
»Natürlich nicht, obwohl ich nicht weiß, was das nützen soll.«
Die schweren Schlüssel an Margarets Gürtel rasselten, als sie einen davon aussuchte.
»Noch eine verschlossene Tür«, murmelte Clare, als Margaret an die Tür der Bibliothek trat und den Schlüssel ins Schloß schob.
»Ja«, sagte Gareth. »Man könnte fast meinen, daß der Mörder wirklich ein Geist war.«
Cläre runzelte die Stirn. »Das glaubt Ihr doch wohl nicht im Ernst?«
»Nein«, sagte Gareth. »Aber es scheint, als wolle jemand, daß wir das glauben.«
Margaret stieß einen erleichterten Seufzer aus, als die Tür aufging und sie sich eilig umsah. »Hier drinnen ist alles in Ordnung. Ich hatte schon befürchtet, daß man uns bestohlen hätte.«
»Und daß die Einsiedlerin ermordet wurde, weil sie die Diebe beobachtet hat?« Gareth nickte. »Das wäre eine Möglichkeit.«
Er betrat die Bibliothek und Clare folgte ihm. Gemeinsam untersuchten sie die Regale voller schwerer Bücher. Viele der herrlich gebundenen Bände waren vorsichtshalber an die Wand angekettet.
Gareth war beeindruckt. »Ihr habt eine Menge wunderbarer Bücher, Priorin.««
»Ja. Und ich bin froh, sagen zu können, daß es in all den Jahren, seit ich Vorsteherin dieses Klosters bin, nicht einen einzigen Diebstahl gegeben hat«, erklärte Margaret voller Stolz. »Aber mit Dingen, die so wertvoll sind wie diese Bücher, kann man nie vorsichtig genug sein.«
»Mylord«, rief Clare vom hintersten Bücherregal herüber. »Hier liegt ein aufgeschlagenes Buch auf einem der Tische.«
»Unmöglich.« Margaret eilte besorgt den Gang hinunter. »Sämtliche Bücher werden nach dem Gebrauch ordnungsgemäß in die Regale zurückgestellt. Das habe ich ausdrücklich angeordnet.«
Gareth ging ebenfalls dorthin, wo Clare neben einem aufgeschlagenen Buch stand. Er warf einen Blick auf die herrlich verzierte Seite, die mit wunderbar geschwungener Schrift angefüllt war. Die kunstvolle Umrahmung des ersten Buchstaben auf dem Blatt war in leuchtendem Gold, schimmerndem Rot und reichem Blau gehalten.
»Es ist eine Abhandlung über Kräuter«, erläuterte Clare. »Ich selbst habe sie bereits einige Male gelesen.«
»Ich kann nicht glauben, daß ein Mitglied dieses Hauses das Buch einfach so offen auf dem Tisch liegen lassen würde«, sagte Margaret. »Es ist viel zu wertvoll, als daß eine von uns so nachlässig damit umgehen würde.«
Gareth blickte hinüber zu dem Fenster, das auf das Minzbeet hinausging. Das Sonnenlicht fiel gedämpft durch das dicke, grüne Glas. »Ich frage mich, ob der Mörder im Begriff war, dieses Buch zu stehlen, als er merkte, daß er von draußen beobachtet wurde.«
»Glaubt Ihr, er hat die arme Beatrice umgebracht und ist dann geflohen?« fragte Clare.
»Vielleicht.« Gareth überlegte einen Augenblick. »Aber bevor er sich aus dem Staub gemacht hat, hat er sich erst noch
die Mühe gemacht, die Einsiedlerin zurück in ihre Zelle zu schleifen.«
»Aber wie hat er es bloß angestellt, sie darin einzuschließen?« wunderte sich Clare. »Der Schlüssel zu ihrer Tür hängt noch innen an der Wand. Und außerdem ist der Mörder nicht noch einmal in die Bibliothek zurückgekehrt, um das Buch zu holen, auf das er es offenbar abgesehen hatte.«
»Vielleicht hatte er Angst, daß er noch einmal überrascht werden würde«, schlug Margaret vor.
»Ja, oder er hatte es gar nicht auf dieses Buch abgesehen.« Gareth sah sich noch einmal die erste Seite des Werkes an. »Wenn wir mit unserer Vermutung richtig liegen - was nicht ganz sicher ist - dann haben wir ein äußerst interessantes Problem.«
»Ihr meint, wir müssen einen Mörder finden?« fragte Clare.
»Ja«, sagte Gareth. »Und zwar einen, der lesen kann.«
Wie an jedem Abend wartete Gareth auch dieses Mal, bis Clare sich an ihn klammerte, ihn anflehte, sich ihm entgegenreckte und ihre kleinen, scharfen
Weitere Kostenlose Bücher