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Liebe stand nicht auf dem Plan

Liebe stand nicht auf dem Plan

Titel: Liebe stand nicht auf dem Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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gerät ins Schwimmen und geht komplett verloren. Wie der Atem der Fische in Blasen aufsteigt, platzen ihre Gehirnzellen weg, eine nach der anderen, und sie muss ohne auskommen. »Sabbere ich …?«, murmelt Nora, die Augen geschlossen.
    »Ich hab eine Wimper von dir – auf der Zunge«, flüstert Keath leise.
    Nora ist sich nicht sicher, ob sie ihn verstanden hat, aber wenn er eine Wimper von ihr hat, »dann darfst du dir was wünschen, aber nichts sagen, dann geht es in Erfüllung.« Sie spürt, dass er lächelt, obwohl sie ihr Gesicht an seinem Hals vergraben hat.
    »Hab schon.«
    Ein Blitz zerreißt die Dunkelheit. Unmittelbar danach donnert es, und heftiger Regen prasselt los.
    Nora hat nach einer Sekunde klatschnasse Haare. »Was hast du dir um Himmels willen gewünscht?«
    »Sag ich nicht.«

20
Schatten
    Nora singt die ganze Nacht, auch im Traum. Beim Frühstück summt sie, selbst nach der Schule hat sie noch ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Mehmet bezieht es auf sich. Auf seinem Gepäckträger klemmt der Wettgewinn. »Du hast meinen Vater vorm Blumenladen getroffen. Er hat dich gesehen. Friss das Katzengras selbst.« Seine Augen funkeln, denn sein Vorbild als Blumenspender hat der ganzen Familie einen vergnügten Abend beschert. Und vor ihm liegt ein Nachmittag ganz nach seinem Geschmack. Wie in alten Zeiten werden sie zu zweit putzen. Keath hat seine Gruppe und kann nicht weg. Maika muss mit ihrer Mutter zum Arzt, und Dali hat per SMS ankündigt, dass es bei ihm später wird.
    Nora nimmt den Grastopf und setzt sich auf den Gepäckträger. Irgendein Depp – vielleicht Katie? – hat beide Ventile ihres Fahrrads abgeschraubt. Seit Montag steht es mit platten Reifen vor der Schule, und sie hat keine Zeit, neue zu besorgen. Während Mehmet in die Pedale tritt, erzählt Nora, dass ihre vier Brenner mit der U A-CD-Produktion und den Nebenbrennjobs heißlaufen. Sie kann keine zehn Meter gehen, ohne angehauen zu werden. Reine Mund zu Mund-Propaganda hält das Geschäft
am Laufen. Kurz erwägt sie, Mehmet von dem Termin mit Leif zu erzählen. Aber dann beschließt sie doch, alles was mit dem Underage-Club zusammenhängt, allein durchzuziehen. Sie kapiert sowieso nicht, warum es ihr unangenehm ist, in die private Wohnung des Chefs zu gehen. Im Club planen sie den Rumpus -Auftritt in drei Wochen, blödeln, grölen zur Musik und schmeißen mit Feudeln. Wenn man sie in die richtige Richtung schmeißt, wird’s auch sauber, ist die Hoffnung, und auch, dass Dali kommt und hilft, aber der lässt sich nicht blicken.

    Janina Joh unterrichtet. Dali versucht, sich auf die Farbenlehre zu konzentrieren. Aber der gedankliche Sprung von der additiven Farbsynthese zur additiven Synthese seines Körpers mit ihrem Lehrkörper vollzieht sich in seiner Vorstellung so schnell, dass er die Zähne zusammenbeißen muss, um nicht als Brunftbulle den Unterricht zu sprengen. Als sie neben ihm vorbeigegangen ist und ihn fast gestreift hätte, ist ihm auf einen Schlag klar geworden, wie wenig Stoff seinen nackten Körper von ihrem nackten Körper trennt. Zwei dünne Schichten Baumwolle, ratsch, ratsch, und beide wären nackt. Der helle Wahnsinn! Dali muss raus und tigert den Flur lang. Keine Chance, er kann nicht in den Klassenraum zurück, bevor sich nicht seine Fantasien und deren körperliche Folgen rückgebildet haben. Aber was geschieht dann mit den mühsam geschnitzten Kartoffelköpfen in seiner Schultasche? Die halbe Nacht hat er mit ihnen gequatscht. Es sind: John Lennon und Yoko Ono, sehr gut erkennbar, wenn man sie kennt; die Malerin Frida Kahlo, leicht erkennbar, wegen der auffälligen Augenbrauen; Barack Obama, den jeder kennt; und die israelische Politikerin Golda Meir, für Kenner gut erkennbar, weil ihre Augen, Nase und Mund klare Konturen haben. Ein Grad abgekühlter, jeden Gedanken an nackte Haut weit von sich weisend,
begibt sich Dali wieder an seinen Platz und konzentriert sich auf die Grundfarben Rot, Grün und Blau.
    Er darf Janina Joh einfach nicht ansehen. Der Lehrstoff, nicht der Stoff ihrer Kleider ist das Thema, und das ist kein Stoff, aus dem erotische Träume sind. Rot, Grün und Blau. Nach einer Ewigkeit ist die Doppelstunde rum, und nach der blanken Theorie verziehen sich alle schnell. Dali ist mit den Nerven runter, erschöpft vom Sich-am-Riemen-Reißen.
    Eine Pappschachtel aus Leifs Büro hat er zum Haus der Köpfe umfunktioniert und jedes Kartoffelköpfchen mit Bläschenfolie umwickelt. Er stellt sie auf den

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