Liebe stand nicht auf dem Plan
Sackgesichter. Kriegt sie jeden Dienstag, trägt absolut zu einem für mich höchst profitablen Familienfrieden bei. Bin jetzt der liebe Junge, der Rosenkavalier, nicht mehr der, der nie da ist, wenn man ihn braucht, sondern der, der mit Rosen antanzt.« Mehmet schließt Wetten ab. Wie lange es dauern wird, bis sein Vater einen Strauß springen lässt? 1. Preis: ein Topf Katzengras für den, der am dichtesten dran ist. Er selbst tippt auf den Hochzeitstag in zwei Monaten. Maika auf nie.
Erst nach der Frage, ob er überhaupt schon mal einen mitgebracht hätte, und Mehmet verneint, schätzt Keath: »In zwei Wochen.«
»Niemals, zur goldenen Hochzeit, keinen Tag früher.« Dali ist sich sicher.
»Schleierkraut und rote Rosen. Stehen schon auf dem Tisch«, sagt Nora. Sie wettet nicht mit Mehmet. Auf dem Weg zum Club hat sie seinen Vater vorm Blumenladen mit einem Foliengebinde gesehen.
Der Müll bleibt liegen. Niemand fragt Maika, wo sie hinwill, als sie ein Taxi bestellt. Ist eh klar.
Dali begleitet Mehmet zur Tankstelle, Blumen, einen Comic, Überraschungseier und eine türkische Fußballzeitung für dessen Vater besorgen. Dali kauft nichts. Er kämpft mit wesentlich härteren Bandagen um seine Unabhängigkeit. Seine Gegner, alias seine Eltern, sind Profis, gegen die kein blühendes Kraut gewachsen ist. Er geht nur noch zum Wiegen nach Hause. Neben dem Schlafsack hinterm Sofa der Künstlergarderobe klemmen eine Tasche mit Zahnbürste und Klamotten und ein Sack Kartoffeln. Heute ist die Nacht des plastischen Werks von Dali Moßbacher Vol. II. Die ersten Kartoffelköpfe, mit denen er nach langer Schnitzerei und enormem Kartoffelverbrauch zufrieden war, sind angelaufen und schwabbelig geworden.
In der regengereinigten Luft hängt Blütenduft. So schwer, dass es Nora ganz benommen macht. »Also, du hast mit deinen Worten die Ratte gerufen, und Leif hat mit seinen die Katze hinter ihr hergejagt. Die Ratte flüchtet die Wand rauf und rettet sich auf dem Weg, den du aus der Luft gegriffen hast, um Leif aufzuhalten. Und dann hast du Hunde samt Affen an der Leine mit Katzenkraftfutter verjagt. Alles wie herbeigeredet«, fasst sie die bizarre Geschichte zusammen, die Keath gerade erzählt hat.
Ja, genau so war es. Keath lauscht dem Hafensound. Die Wolken hängen tief, das Licht verliert im Dunst die Konturen und färbt den Containerhafen mit Feuerfarbe orange. »Worte sind Schall und Rauch, wenn sie ausgesprochen werden, ziehen sie los und entfalten eine Wirkung. Wie beim Tanzen. Der Sound trifft auf den Körper, entfaltet einen gewaltigen Rhythmus, und das gibt einen neuen Sound.«
Orangefarbene Seemöwen umkreisen ein Frachtschiff und
tauchen in die Wolken ein. Auf den Dalben spreizen Kormorane ihre Flügel. Schwarz vor Wasser in der Farbe von gebranntem Ton.
»Stell dir vor, pinkfarbene Flamingos fliegen in diesem Licht über den Hafen«, fordert Nora Keath auf.
Er berührt sie mit der Schulter. »Stell dir ihre dünnen Beine im Winter ohne Socken vor.«
»Uh, brrr.« In voller Festbeleuchtung fährt die Mississippi Queen auf den Frachter zu. Das Schaufelrad färbt das Wasser rot. »Was war zuerst da? Die Ratten, die Katze, die Hunde und Affen oder eure Worte?«
»Ich denke, die Tiere sind durch die Macht der Worte sozusagen auf einer Koordinate von A nach B geführt worden.« Be sagt Keath auf Englisch. Sein.
»Und von da beinah nach X.« Ex sagt sie. Dann spürt sie seinen Blick von der Seite. Sie legt ihren Rucksack auf die nasse Steinbank, stellt sich ebenfalls darauf und sieht ihn an. Sie sind auf Augenhöhe. »Wenn du mich nicht küsst, bleib ich hier stehen«, flüstert sie. »Für immer.«
Er beugt sich zu ihr. Seine Lippen sind so weich, dass der Grund unter ihren Füßen nachgibt. »Mir wird … schwindlig«, murmelt sie und klammert sich an ihm fest.
»Bei mir dreht sich …«, er streift mit seinen Lippen die leicht verfärbte Stelle neben ihrem rechten Auge, »… auch alles.« Seine Hände halten ihren Kopf umschlossen, seine Lippen streicheln ihre. »Du küsst so …«
»Du erst …«
»… sanft …«
»Hmm.« Es gibt eine Stelle, direkt neben seinem Nasenflügel, die ist so süß, dass Nora sich nicht vorstellen kann, jemals wieder ihre Lippen davon zu lösen, wenn es da nicht auch die Stelle
zwischen Augenbraue und Lid gäbe und die Haut unter ihrer Hand direkt neben seiner Wirbelsäule. Überhaupt, Keaths Haut, unglaublich wie … Sie blickt in seine Augen und sucht nach einem Vergleich,
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