Liebe - stürmisch wie Herbstwind
eine Ausrede. Aber sie sah so besonders hübsch aus an diesem Abend, dass andere Männer möglicherweise bei ihr ihr Glück versuchen würden. Und das durfte nicht sein.
Zehn Minuten später gingen sie auf den großen Ballsaal zu, aber kurz vor der Tür blieb Samantha plötzlich stehen und legte Blake die Hand auf den Arm. „Bitte, komm nicht mit. Ich bin schon nervös genug.“
„Gut. Ich bin im Büro. Sag mir Bescheid, wenn du fertig bist und wir nach Hause fahren können.“
„Aber …“
Lächelnd drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Keine Widerrede. Ich warte auf dich.“
In diesem Augenblick kamen Erica und Christian auf sie zu. Blake war egal, dass sie ihn bei dieser intimen Geste beobachtet hatten. Aber sie würden doch hoffentlich nicht glauben, dass er eine echte Schwäche für Samantha hätte? Er nickte ihnen zu und ging zum Aufzug, um in sein Büro zu fahren. Immer noch misstraute er Erica. Allerdings wusste er selbst nicht so recht, warum. Normalerweise hatte er eine gute Menschenkenntnis, sofern er nicht emotional engagiert war. Genau das aber war hier der Fall. Dass diese Halbschwester plötzlich in seinem Leben aufgetaucht war, hatte ihm von Anfang an nicht gepasst, war also eine rein gefühlsmäßige Reaktion. Und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Auch dass sein Verhältnis zu Samantha nicht mehr als rein sachlich bezeichnet werden konnte, verunsicherte ihn. Während er sich die Unterlagen durchsah, musste er immer wieder daran denken, dass sie ihn bald verlassen würde.
Als er leise Klaviermusik hörte, merkte er verwundert auf. Erstaunlich, dass man sie auch hier oben hören konnte. Lächelnd lehnte er sich in seinem Schreibtischsessel zurück und lauschte. Ganz ohne Zweifel war Samantha talentiert, so wie sie die fließenden Übergänge von einer Melodie in die andere beherrschte und sogar hin und wieder klassische Passagen einstreute. Dann wurde geklatscht, und er wusste nicht recht, ob sich das auf Samanthas Darbietung bezog oder vielleicht gerade der Ehrengast eingetroffen war. Doch dann setzte das Klavierspiel wieder ein. Also hatte der Applaus Samantha gegolten.
Zu Recht. Schnell erhob er sich und verließ das Büro. Er musste ihr einfach beim Spielen zusehen, obwohl sie das nicht wollte. Aber er würde sich im Hintergrund halten.
Vorsichtig stieß er die große Doppeltür auf und blieb gleich daneben an der Wand stehen. Jetzt spielte Samantha wieder etwas Klassisches, und Blake fiel auf, wie entspannt und gleichzeitig voll konzentriert sie wirkte. Sie hatte ihn nicht gesehen, und während ihre Finger nur so über die Tasten flogen, lächelte sie leicht.
Wie schön sie war. Plötzlich wurde ihm ganz warm ums Herz. Ja, er war stolz auf sie …
„Sie ist gut“, hörte er eine leise Frauenstimme neben sich, und als Blake sich umwandte, bemerkte er eine attraktive Blondine Ende dreißig, die neben ihn getreten war.
„Ja“, erwiderte er knapp und richtete den Blick wieder auf Samantha.
„Sie scheinen neu hier zu sein.“ Die Frau streckte ihm eine Hand mit blutroten Fingernägeln entgegen. „Ich bin Clarice.“
Da er nicht unhöflich sein wollte, schüttelte er ihr kurz die Hand. „Angenehm. Blake.“ Warum geht sie nicht weg, damit ich mich wieder ganz auf Samantha konzentrieren kann, dachte er verärgert.
„Sind Sie mit unserem Ehrengast bekannt?“ Die Frau war hartnäckig.
„Nur oberflächlich.“
„Anne und ich waren zusammen im Internat. Wir sind schon ewig befreundet.“
„Wie schön.“ Das Musikstück endete mit einem letzten hohen Ton, und alles klatschte. Das war die Gelegenheit, sich zu entfernen. „Entschuldigen Sie mich“, sagte Blake schnell und wandte sich zum Gehen. Doch die Frau legte ihm eine Hand auf den Arm und fragte leise: „Wollen wir vielleicht nachher einen Drink zusammen nehmen?“
Es war nicht das erste Mal, dass Frauen ihn auf diese Art und Weise anmachten, aber diesmal nervte es ihn besonders. „Tut mir leid“, gab er lächelnd zurück. „Nicht heute Abend.“ Ohne die Frau noch eines Blickes zu würdigen, ging er direkt auf Samantha zu, die sich gerade von dem Klavierstuhl erhob. Mehrere Gäste waren auf sie zugekommen und beglückwünschten sie offenbar, denn sie strahlte über das ganze Gesicht.
Dann sah sie ihn. „Blake“, formten ihre Lippen, und sie hielt die leuchtenden blauen Augen nur auf ihn gerichtet. Da hatte er sie erreicht, legte ihr den Arm um die Schultern und lächelte die Umstehenden charmant an.
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