zu zerstören, was er so mühevoll aufgebaut hatte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als weiter zu warten.
Nach einer Woche der Verzweiflung, als er die Hoffnung schon fast aufgeben wollte, fand er eine E-Mail mit dem Absender
[email protected] in seinem Postkasten. Mit zitternden Fingern öffnete er sie: „Hi, da bin ich wieder. Mein Computer war kaputt. Jetzt funktioniert er zum Glück wie neu.“
Das war es also gewesen! Julius hätte beinahe einen Jubelruf ausgestoßen – da bohrte sich ein kleiner Stachel in seine Gedanken. „Ich freue mich, wieder von Ihnen zu hören“, antwortete er. „Wie haben Sie den Computer wieder hingekriegt?“ Hoffentlich antwortete sie jetzt nicht: „Mein Freund hat ihn repariert“, oder so etwas Ähnliches. Angespannt wartete er auf die Antwort.
„Der Mann in dem Computerladen, wo ich ihn gekauft habe, hat mir geholfen.“
Das klang nicht nach einem Freund. Julius atmete auf.
„Übrigens“, hatte Anna noch hinzugesetzt, „wir können ruhig beim Du bleiben.“
Beim Du bleiben? Wieso „bleiben“? Egal, er hatte nicht das Geringste dagegen einzuwenden. Im Gegenteil! Und dann setzte er spontan noch einen drauf: „Bist du eigentlich vergeben?“, fragte er ganz unverfroren.
Die Minuten, die verstrichen, bis ihre E-Mail kam, gehörten zu den längsten in seinem Leben. „Nein“, schrieb sie, „und ich möchte mich auch gar nicht binden.“
„Warum nicht?“
„Es ist zu kompliziert, um das in einer Mail zu erklären. Gute Nacht!“
Oje, hoffentlich hatte er sie mit seiner Unverblümtheit nicht vor den Kopf gestoßen. „Sei mir nicht böse, dass ich so indiskret war“, tippte er hastig, damit sie die Mail noch bekam, bevor sie den Computer ausschaltete.
„Ist schon okay. Bis morgen“, las er kurz darauf beruhigt.
Bevor er einschlief, dachte er darüber nach, ob er den nächsten Schritt machen sollte. Die Zeit war reif dafür. Zumindest hatte er diesen Eindruck, und er hoffte inständig, dass er sich nicht täuschte.
***
Am nächsten Tag nahm er all seinen Mut zusammen. „Sollen wir mal telefonieren?“, schlug er ihr in einer Mail vor und zu seiner freudigen Überraschung war Anna gleich einverstanden.
Er hatte sich eine Prepaid Karte besorgt und gab ihr diese Handynummer statt seiner Festnetznummer, damit sie nicht merkte, dass er am selben Ort wohnte wie sie, und womöglich Nachforschungen im Telefonbuch anstellte.
Während er auf den Anruf wartete, bekam er Angst vor der eigenen Courage. Und als kurz darauf das Mobiltelefon losschrillte, fühlte es sich an, als wäre sein Herz von der Brust in den Hals hinaufgerutscht. Er atmete tief durch und nahm ab. „Ho...“ begann er und im allerletzten Augenblick fiel ihm ein, dass er sich ja nicht mit „Horsten“ melden durfte. Er räusperte sich ausgiebig, bevor er „Schorn“ sagte.
„Hier ist Anna.“
„Schön, dass du anrufst.“ In seinen Ohren klang seine Stimme in diesem Augenblick ganz fremd, doch sie sagte: „Deine Stimme kommt mir irgendwie bekannt vor.“
Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, die Maskerade hier und jetzt zu beenden. Doch er befürchtete, dass sie dann sofort einhängen würde. Es war noch zu früh. Erst musste er Anna ganz und gar davon überzeugen, dass der Mann, den sie für Julian Schorn hielt, nicht der Unmensch war, für den sie Julius Horsten hielt. Und dass Julian Schorn beziehungsweise Julius Horsten der Richtige für sie war.
„Du hast eine nette Stimme“, sagte er.
Sie lachte. „Danke.“
Er streckte sich auf der Couch aus, in der einen Hand den Apparat, mit der anderen kraulte er Bero, der neben ihm auf dem Boden lag.
Er hätte es nicht gedacht, aber e rstaunlicherweise floss das Gespräch mit Anna wie von selbst. Ehe er es sich versah, war eine Stunde vergangen.
„Ich muss morgen früh raus“, sagte sie schließlich.
„Kann ich dich abends zurückrufen?“, fragte er schnell.
„Ich habe nichts dagegen.“
„So gegen acht?“
„Einverstanden. Warte, ich gebe dir meine Nummer.“
Julius wurde ganz heiß. Schon wieder hätte er sich beinahe verraten. Sie durfte doch nicht merken, dass er ihre Adresse und Telefonnummer kannte!
Von da an telefonierten sie täglich. Aus der schönsten Stunde des Tages wurden schnell die schönsten Stunden des Tages für Julius. Sie redeten über Gott und die Welt, manchmal sogar die halbe Nacht.
Irgendwann traute sich Julius, sie zu fragen, warum sie sich nicht binden wollte.
„Weil ich eine