Liebe sucht sich einen Weg
deshalb nur.
Sie sah ihn von der Seite an. „Oh.“
Wie von selbst lenkten sie ihre Schritte zu einer Bank und setzten sich. Julius tätschelte Spike, der zu Annas Füßen lag.
Sie redeten nicht viel, aber es tat Julius gut, einfach nur neben ihr zu sitzen.
Nach einer Weile stand er schweren Herzens auf. Er wäre gern noch geblieben, aber es wurde Zeit, nach Bero zu sehen. „Bist du morgen Abend wieder hier?“, fragte er.
„Wahrscheinlich nicht. Ich telefoniere abends immer mit einem Freund.“
Dass sie das sagte, freute Julius einerseits und andererseits machte es ihn unruhig. Dass ihr Julian Schorn wichtiger war als er, passte ihm nicht. Aber in Gedanken war er zu sehr bei Bero, um darüber nachzugrübeln.
Als er nach Hause kam, merkte er es sofort. Etwas war anders. Die Wohnung erschien leer. Wie ausgestorben. Er wusste es, bevor er an den Korb trat: Bero war nicht mehr da. Er war eingeschlafen und würde nicht wieder aufwachen. „Danke, alter Freund“, flüsterte er, „Danke, dass du es mir erspart hast, dich zum Tierarzt zu bringen. Du hast es mir so leicht gemacht, wie du es mir machen konntest.“ Eine Träne lief ihm über das Gesicht. Er kniete sich auf den Boden und vergrub sein Gesicht im Fell des Hundes.
Nachdem er sich ein wenig gefasst hatte, rief er Anna an: „Er ist tot.“ Mehr brachte er nicht heraus. Und mehr brauchte er auch nicht zu sagen.
„Das tut mir unendlich leid!“, erwiderte sie. „Aber es ist besser so. Bero hatte keine Freude mehr am Leben. Und für dich war es ebenfalls eine schwere Zeit.“
„Was vor mir liegt, wird auch nicht einfach. Ich muss mich daran gewöhnen, dass er nicht mehr bei mir ist.“
„Diesen Preis muss jeder zahlen, der ein Haustier hat. Es kann uns nur ein Stück unseres Weges begleiten. Und jedes Tier, das wir verlieren, hinterlässt eine Narbe in unserem Herzen.“
„Das ist wohl wahr.“ Er kniff die Augen fest zu, um die Nässe darin zurückzudrängen.
„Willst du dir irgendwann einen neuen Hund anschaffen?“, wollte sie wissen.
„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.“
„Das war eine dumme Frage von mir. Entschuldige! Du musst natürlich erst über den Verlust hinwegkommen.“
Bis tief in die Nacht hinein redeten sie, und Julius war ihr dankbar dafür. Es half ihm über die ersten einsamen Stunden in seiner Wohnung hinweg.
In der Morgendämmerung begrub er Bero im Garten unter einem Apfelbaum und stürzte sich dann in die Arbeit in seinem Fitnessstudio. So gut es ging, vermied er es, auf den Platz zu blicken, wo Bero gestern noch gelegen hatte, aber am Abend musste er in seine stille, einsame Wohnung zurückkehren. Er ging sofort zum Telefon, um Anna anzurufen. Sie war nicht da. Er schaute auf die Uhr. Bestimmt drehte sie gerade ihre Runde mit Spike. Kurz entschlossen machte er sich auf den Weg ins Gartengelände. Schließlich konnte er nicht ewig vor ihr verbergen, dass Bero nicht mehr lebte. Und wenn sie seine Maskerade nun durchschaute – vielleicht wäre es sogar der beste Zeitpunkt dafür.
Sie fragte gar nicht, als er ihr allein entgegenkam.
„Übrigens, Bero ...“, begann er mit belegter Stimme und räusperte sich.
„Ich weiß“, unterbrach sie ihn.
Hatte sie die Wahrheit herausgefunden? Unsicher schaute er sie an.
„Ich kann es mir denken “, fuhr sie fort. „Du kommst allein und siehst furchtbar traurig aus.“
Anscheinend war sie nicht misstrauisch geworden. Ihre Augen waren voll Mitleid, und das tat Julius gut.
„Ob du es glaubst oder nicht“, fügte sie leise hinzu. „Ich mochte den guten, alten Bero, trotz allem. Dieses drollige Haarbüschel auf seinem Kopf ... Wenn er nur netter zu Spikey gewesen wäre.“
„Und Spikey zu ihm“, ergänzte Julius.
Sie nickte. „Die beiden konnten sich nun mal nicht ausstehen. So was gibt es, genauso wie unter Menschen.“
„Vielleicht war es tatsächlich nur ein Missverständnis“, überlegte Julius laut. „Vielleicht wollte Spikey wirklich nur spielen und Bero hatte in diesem Moment keine Lust dazu. Wer weiß, wenn sie sich besser kennengelernt hätten, wäre aus der Feindschaft vielleicht Freundschaft geworden.“
Sie nickte. „Ich glaube, Beros Herrchen und Spikeys Frauchen waren ganz schön dumm. Sie haben zu früh aufgegeben. Die Hunde hätten sich vielleicht nur zusammenraufen müssen und alles wäre in Ordnung gewesen. Bei Menschen klappt das ja hin und wieder auch.“
***
Von da an trafen sich Julius und Anna regelmäßig, und danach
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