Liebe sucht sich einen Weg
ziemlich auf die Nerven. Er tapste unruhig durchs Zimmer und stieß ihn laufend mit der Pfote an. „Platz!“, befahl Julius.
Der Hund gehorchte, aber kurz darauf stand er wieder vor ihm und sah ihn auffordernd an.
„Bero!“, wiederholte er streng, „Mach Platz!“
„Dein Hund heißt Bero?“, hakte sie nach.
Hilfe ! Da hatte er nicht aufgepasst! „Nein, er heißt Gero“, behauptete er schnell.
„Dieser bissige Hund, von dem ich dir erzählt habe, heißt Bero“, erklärte sie.
„Aha.“ Was sollte er auch sonst dazu sagen?
Der Schäferhund stieß ihn wieder mit der Pfote an und begann leise zu winseln. „Ich glaube, er hat was“, sagte er zu Anna. „Ich geh mal schnell mit ihm raus und rufe dich danach wieder an.“
Doch dazu kam er an diesem Abend nicht mehr. Bero hatte schlimmen Durchfall und musste alle paar Minuten raus. Erst mitten in der Nacht legte er sich zum Schlafen nieder. Nachdenklich stand Julius vor dem Korb und schaute auf den alten Hund herunter. „Du bist dünn geworden“, sagte er, „alt und müde.“ Er hockte sich neben Bero und kraulte ihn zwischen den Ohren, da, wo immer noch das verwegene Haarbüschel hochstand. „Deine Zeit ist bald gekommen, alter Freund“, setzte er ganz leise hinzu. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Zwar fühlte er es schon lange, aber erst indem er es aussprach, wurde es wahr. Wurde es zur Tatsache, die er nicht mehr leugnen konnte. In seinen Augen begann es heiß zu brennen. Hastig wandte er sich ab.
Anna würde ihn verstehen. Es würde ihm guttun, mit ihr über seinen Hund zu sprechen. Er schaute auf die Uhr. Halb eins. Zu spät, um sie anzurufen. Noch einmal strich er sacht über Beros Rücken, dann löschte er das Licht und ging hinaus.
***
Von dieser Durchfallattacke erholte sich Bero nicht mehr richtig. Man merkte deutlich, dass seine Kräfte nachließen. Er fraß kaum noch etwas, und auf den Spaziergängen zockelte er hinter Julius her und legte sich zwischendurch häufig hin, um sich auszuruhen. Julius lief nur kurze Strecken mit ihm und nahm ihn im Auto mit zum Fitnessstudio. Dort legte Bero sich in seinen Korb und schlief fast die ganze Zeit. Julius war klar, dass er den schweren Schritt bald tun musste, aber er schob es von Tag zu Tag vor sich her.
„Er ist sehr schwach geworden“, sagte er zu Anna am Telefon. „Er kann nicht mehr. Ich denke, ich muss ihn einschläfern lassen.“ Seine Stimme schwankte.
„Ich kann mir gut vorstellen, wie du dich fühlst. Ich werde auch am Boden zerstört sein, wenn ich mich eines Tages von Spikey trennen muss.“
„Ich wünschte, ich hätte den Gang zum Tierarzt schon hinter mir“, setzte Julius heiser hinzu. „Ich weiß gar nicht, wie ich das ertragen soll.“
„Du wirst es schaffen, um deines Hundes willen.“
Ihre Worte gaben ihm auf irgendeine Weise Kraft. „Mir ist bewusst, es klingt übertrieben“, setzte er hinzu, „Bero ist ‚nur‘ – in Anführungszeichen – ein Hund, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie ich ohne ihn leben soll. Fast dreizehn Jahre haben wir miteinander verbracht.“
Da hatte er wieder „Bero“ gesagt, aber anscheinend war es ihr nicht aufgefallen. „Ich wüsste auch nicht, wie ich ohne meinen Hund auskommen sollte“, erwiderte sie. „Er würde mir entsetzlich fehlen.“
Bero wachte auf, hob den Kopf und sah ihn an.
„Ich glaube, er muss raus“, sagte Julius.
„Dann mache ich jetzt auch eine Runde mit Spike. Bis später.“
Doch heute hatte Bero überhaupt keine Kraft zu laufen. Er schaffte es nur bis zur nächsten Ecke, dann wollte er umkehren. Julius brachte ihn zurück. „Morgen werde ich es tun“, versprach er dem Hund und sich selbst. „Das bin ich dir einfach schuldig.“ Er hockte sich neben den Korb und streichelte Beros Kopf. Der klopfte schwach mit dem Schwanz, dann schloss er erschöpft die Augen. Als Julius hinausging, war Bero eingeschlafen.
Er war zu aufgewühlt, um stillzusitzen, er musste hinaus, brauchte dringend frische Luft. Einer Eingebung folgend nahm er den Weg ins Gartengelände – und da kam sie ihm tatsächlich mit Spike entgegen. Heute schien sie aufgeschlossener. Sie lächelte sogar, als er sie grüßte. „Heute ohne Bero?“, erkundigte sie sich.
Julius öffnete den Mund, um ihr zu antworten. Halt! Ein heißer Schreck durchfuhr ihn. Wenn er ihr jetzt dasselbe erzählte wie das, was Julian Schorn ihr gerade am Telefon gesagt hatte, würde alles auffliegen. „Er schläft schon“, antwortete er
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