Liebe um Mitternacht
abweisender. »Sie ist an einem Fieber gestorben, als ich elf Jahre alt war.«
»Adam, das tut mir so Leid. Was haben Sie getan? Wie haben Sie überlebt?«
»Meine Mutter hat mir das Lesen und Schreiben beigebracht, aber ich habe auch noch eine andere Erziehung genossen, durch das Leben auf der Straße in dieser Gegend hier. Das hat sich als sehr nützlich erwiesen, noch bevor Mutter gestorben ist. Es hat mich ernährt, und ich habe die Miete damit bezahlt, nachdem sie nicht mehr da war.«
»Wie haben Sie das denn gemacht?«
»Ich habe die Geheimnisse anderer Menschen gekauft und verkauft«, erklärte er schlicht.
»Das verstehe ich nicht.«
»Erinnern Sie sich noch an Maud Gatley? Die Frau, die dem Opium verfallen war und deren Tagebuch ich jetzt suche?«
»Ja, natürlich.«
Er deutete mit dem Kinn zur Tür. »Sie war eine Prostituierte, die auf der anderen Seite des Flurs gewohnt hat. Manchmal hat sie ihre Kunden mit hier nach oben gebracht. Und ab und zu hat ihr dann einer der Kunden ein Geheimnis zugeflüstert, und sie hat es dann mir erzählt.«
»Und Sie haben einen Markt dafür gefunden?«, fragte Caroline ungläubig.
Er lächelte kalt. »Es gibt einen riesigen und sehr lukrativen Markt für Geheimnisse, ganz besonders, wenn es die Geheimnisse der Gentlemen aus den besseren gesellschaftlichen Schichten sind.«
»Das habe ich gar nicht gewusst.«
»Maud war damals sehr schön, und sie war noch nicht vollkommen den Drogen verfallen. Sie zählte eine ganze Anzahl Männer der gehobenen Schicht zu ihren Kunden. Es war mein Job, Käufer für den Klatsch und die Gerüchte zu finden, die sie bei ihrer Arbeit erfahren hat. Wir haben uns den Gewinn dafür geteilt. Einige Zeit lang war das für uns beide sehr einträglich.«
Verwunderung stieg in ihr auf. »Das ist eine wirklich erstaunliche Geschichte.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Ich freue mich darüber, dass Sie sie interessant finden. Aber ich warne Sie, wenn auch nur ein einziges Wort darüber in einem Ihrer Romane erscheint, werde ich sehr böse sein.«
Sie warf ihm einen äußerst ernsten Blick zu. »Ich würde natürlich die Namen ändern.«
»Eine Änderung der Namen würde bei weitem nicht genügen, um mich zu beruhigen«, warnte er sie.
»Ich habe doch nur Spaß gemacht, Adam, das wissen Sie doch sicher auch. Erzählen Sie mir auch noch den Rest der Geschichte.«
»In den nächsten Jahren habe ich mir noch zwei Schwestern und einen Bruder angeeignet.«
»Wie eignet man sich denn Geschwister an?«, wollte sie wissen.
»Da gibt es unterschiedliche Wege. Manchmal findet man eine Waise, die an ein Bordell verkauft werden soll, das Gentlemen bedient, die jungfräuliche Mädchen unter zwölf Jahren bevorzugen.«
»Gütiger Himmel.«
»Manchmal findet man ein Mädchen, das im Alter von drei Jahren neben einem Abfallhaufen ausgesetzt wurde.«
»Adam, wollen Sie damit etwa sagen …«
»Und manchmal findet man einen Jungen von vier Jahren, der zum Betteln an einer Straßenlampe abgestellt wurde und dessen Eltern ihn nie wieder dort abgeholt haben.«
»Sie haben sie alle bei sich aufgenommen?«, flüsterte Caroline. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin vollkommen überwältigt.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe zu der Zeit auf der Straße gutes Geld verdient. Ich konnte es mir leisten, noch ein paar hungrige Mäuler mehr zu füttern, und außerdem hatte ich dann an den Abenden Gesellschaft.«
»Haben Sie ihnen auch das Lesen und das Schreiben beigebracht, so wie Ihre Mutter es mit Ihnen gemacht hat?«
»Es gab sonst am Abend nicht viel zu tun«, meinte er.
Sie deutete mit der Hand auf das kleine Zimmer. »Und wie sind Sie alle vier diesem hier entkommen?«
»In der Mitte meines siebzehnten Lebensjahrs hat sich alles geändert. Ich kam in den Besitz eines ganz besonders wertvollen Geheimnisses. Es ging da um einen großen finanziellen Schwindel, in den zahlreiche hochrangige Investoren verwickelt waren. Ich habe diese Information einem neuen Kunden verkauft, einem reichen, verwitweten Gentleman. Er hat die Information benutzt, um sich und einige seiner Bekannten davor zu schützen, eine Menge Geld zu verlieren.«
»Erzählen Sie weiter«, forderte sie ihn fasziniert auf.
Statt sofort zu antworten, stieß sich Adam von der Wand ab, löste die verschränkten Arme und ging durch das kleine Zimmer zum Kamin. Er kniete nieder, zündete ein Streichholz an und hielt es an das Holz im Kamin.
Er sah einen Augenblick lang zu,
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