Liebe um Mitternacht
Mietkutsche holperte an ihnen vorüber und verschwand im Nebel. Ein Schauer rann über Adams Rücken. Es war ein Gefühl, das er nur zu gut kannte. Er hatte es oft genug erlebt, in den alten Zeiten, als er noch die Geheimnisse anderer Menschen in den schmalen Gassen und dunklen Alleen verkauft hatte. Der Uberlebensinstinkt, den er als Junge gelernt hatte, war ihm geblieben. Er brauchte eine ganze Menge Disziplin, um sich nicht umzudrehen und über seine Schulter hinweg nach hinten zu sehen.
»Du hast doch ihre Wohnungen gesehen«, sprach Caroline weiter, und aus ihrer Stimme waren ihre Gefühle deutlich zu hören. »Es ist offensichtlich, dass sie alle gerade das Nötigste zum Uberleben haben. Ich möchte gar nicht daran denken, was geschehen wird, wenn sie herausfinden, dass sie betrogen worden sind. Sie werden vollkommen verzweifelt sein.«
»Sehr wahrscheinlich«, stimmte er ihr zu.
Er drehte den Kopf ein wenig zu ihr und beugte sich leicht vor, damit es so aussah, als würde er aufmerksam ihren Worten lauschen. Aus den Augenwinkeln sah er eine schattenhafte Gestalt im Nebel.
Caroline hob eine Hand. »Wir müssen etwas unternehmen, Adam.«
Beinahe hätte er gelächelt. »Mit dem Wort
wir
meinst du wohl, dass ich etwas tun muss?«
»Das wäre natürlich ideal. Dieser schreckliche Mr. Jones muss gezwungen werden, seinen Opfern das Geld zu ersetzen. Wir können doch nicht zulassen, dass diese Menschen alles verlieren, was sie besitzen.«
»Mach dir keine Sorgen, Caroline.« Er riskierte noch einen Blick nach hinten und stellte fest, dass ihr Verfolger noch immer hinter ihnen war; er hielt noch immer den gleichen Abstand. »Ich werde schon dafür sorgen, dass Brick, Trent und McDaniel ihr Geld zurückbekommen, auf die eine oder die andere Art.«
Sie legte den Kopf ein wenig schief. Unter dem Rand ihres zierlichen kleinen Hutes hervor sah er, dass ihre Augen anerkennend leuchteten.
»Danke, Adam. Das ist sehr nett von dir.«
»Ich hoffe nur, dass die Liste von Jones Opfern nicht zu lang ist.«
»Ich frage mich, wie vielen Menschen er wohl diese wertlosen Minenaktien angedreht hat.«
»Caroline, wir haben da ein kleines Problem.«
»Wie bitte?«
»Jemand verfolgt uns.«
» Was!«
Sie wollte stehen bleiben und sich umdrehen.
»Geh weiter.« Er packte sie am Arm und zwang sie, unauffällig weiterzugehen. »Du darfst dir nicht anmerken lassen, dass wir ihn entdeckt haben.«
»Ja, natürlich nicht.« Sie ging weiter, genauso schnell wie zuvor. »Wer glaubst du wohl, ist das?«
»Ich habe die Absicht, es herauszufinden.«
Er betrachtete einen Augenblick lang die von Nebel verhangene Straße und suchte nach einer Stelle, an der er ihren Verfolger überwältigen konnte. Die Häuser zu beiden Seiten der Straße waren eng aneinander gebaut, es gab keine Gassen oder Wege zwischen ihnen. Die beste Möglichkeit war ein kleiner Park auf der anderen Straßenseite. Der Nebel würde ihnen die passende Deckung bieten.
»So werden wir es machen«, erklärte er Caroline. »Hör mir genau zu, und tu dann das, was ich dir sage.«
26
Zusammen betraten sie den Park. Als sie jedoch den ersten dickeren Baum erreichten, bedeutete Adam Caroline, allein über den Rasen weiterzugehen. Unter den tief hängenden Ästen des Baumes versteckte er sich und wartete.
Von seinem Versteck aus konnte er das sehen, was der Mann hinter ihnen auch sah, eine Frau in einem rostfarbenen Kleid, die sehr schnell im dichten Nebel verschwand. Es war ganz unmöglich, festzustellen, dass sie allein war, und der Verfolger sah sicher auch keinen Grund dafür, dass der Begleiter die Lady im Park einfach allein lassen würde.
Das war auch genau das, was Adam sich erhofft hatte.
Er wurde nicht enttäuscht. Ein paar Minuten nachdem Caroline verschwunden war, hörte Adam vorsichtige Schritte auf dem Weg. Die Schritte hörten plötzlich auf, als der Mann vom Weg auf den Rasen trat.
Einen Augenblick später eilte eine Gestalt in einem grauen Rock und einem tief in die Stirn gezogenen Hut an der Stelle vorüber, an der Adam wartete.
Adam machte zwei große Schritte, packte sein Opfer am Kragen seiner Jacke und riss es zu Boden. Der Mann schrie erschrocken auf und landete hart auf seinem Po.
Adam blickte auf ihn hinunter und stellte fest, dass er ihn kannte. »Mr. Otford. Was für eine Überraschung, Sie hier zu treffen.«
Gilbert Otfords Gesicht war rot vor Zorn. »Wie können Sie es wagen, mich auf diese rüde Art und Weise anzugreifen?«, brachte er
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