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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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herausgehört hat.“
    „Dass Tamás sich an Patai rächen wird“, sagte Vater mit einem verärgerten Lachen. „Das hältst du für eine reale Sorge?“
    Als wir bemerkten, dass die Schreibmaschine bereits vor mehreren Sekunden aufgehört hatte zu klappern, war es zu spät.
    „Tomilein, mein Tomilein, ich flehe dich an, mach es nicht“, rief Tante Judit und beinah gleichzeitig mit ihrer Stimme tauchte auch sie auf dem Balkon auf. „Wie könnt ihr so etwas zu ihm sagen? Tomilein, hör nicht auf deinen Vater, du bist nicht so ein Held. Du musst den Namen weitervererben, nicht den wackeren Kerl spielen. Kinder machen musst du, Jungen, die nicht so kleine Feiglinge sind wie du …“
    Da ging die Eingangstür auf. Gerda kam nach Hause, wir liefen zu ihr, um sie zu begrüßen, Onkel Lajos ging in die Küche, und das Gespräch nahm eine neue Wendung.
    „Gerda, meine Liebe! Endlich. Wie gut, dass du kommst. Wie fand Kendefi deinen Lippenstift?“, fragte Tante Judit und meinte damit den Regisseur, von dem sie mit Sicherheit zu wissen glaubte, dass Gerda in ihn verliebt sei.
    „Tamás, was machst du denn hier?!“, fragte Gerda barsch. „Du verpasst noch den letzten Zug.“
    „Wie fand Kendefi deinen Lippenstift?“
    „Ich fahre morgen früh zurück“, antwortete ich. „Keine Angst, ich fahre wirklich.“
    „Ich wusste, dass es so kommen würde“, sagte sie. „Wie ich es wusste! Ich werde dir nie wieder eine Aufgabe anvertrauen, Tamás.“
    „Ich habe ihm gesagt, er solle herkommen“, nahm mich Vater in Schutz. „Und ich hatte guten Grund dazu.“
    „Aber bei so einem Lager zählen doch gerade die Abende. Da lernt man die Leute kennen.“
    „Aber wie fand er deinen Lippenstift?“
    „Die ersten Eindrücke sind die Entscheidenden.“
    „Ich werde sie schon noch kennenlernen.“
    „Er wird sie schon noch kennenlernen“, sagte Vater. „Mach dir da mal keine Gedanken.“
    „Fütterung!“, sagte Onkel Lajos.
    „Du machst mich wahnsinnig“, sagte Gerda.
    „Aber wie fand er deinen Lippenstift?“
    „Herrgott nochmal, ihm ist mein Lippenstift völlig egal.“
    „Das ist unmöglich! Es gehört zu den beruflichen Pflichten eines Regisseurs, so etwas zu bemerken.“
    „Ich habe dir doch schon gesagt, dass er schwul ist“, erwiderte Gerda, um das Thema Kendefi kurz zu schließen, womit sich Tante Judit sogar zufriedengab, obgleich sie schon viele Schwule in ihrem Leben gesehen hatte und alle waren verheiratet gewesen. Sie und Onkel Lajos hatten in dieser Zeit auch hin und wieder darüber gesprochen, dass ich vielleicht schwul sein könnte, und in ihrer diesbezüglichen Sorge war sie sogar bereit, das Thema von den Schwulen in die ihrer Meinung nach entfernteste Richtung zu lenken: auf die Frauen.
    „Und sag mal, hast du dir schon eine hübsche kleine Statistin für Tomi ausgeguckt? Tomilein, du könntest einmal mit Gerda zu den Dreharbeiten gehen, hat sie dir schon erzählt, wie viele hübsche Statistinnen dort nackt herumspringen?“
    Gerda war in größerer Verlegenheit als ich. Sie ahnte, dass ich ihr übelnahm, mich kein einziges Mal zu den Dreharbeiten mitgenommen zu haben, da ich wirklich gerne nackte, oder meinetwegen auch bekleidete Statistinnen gesehen hätte. Aber sie hatte ihren Grund: Sie hatte eine Affäre mit dem Kameramann, weshalb es sie gestört hätte, wenn ich sie begleitet hätte.
    „Tamás braucht keine nackten Statistinnen“, sagte sie zu Tante Judit. „Stimmt’s, Tamás?“
    „Na ja“, antwortete ich vielsagend.
    „Dein Bruder ist da offenbar anderer Meinung“, sagte Onkel Lajos lachend. „In diesem Alter kann man von nackten Statistinnen nie genug bekommen.“
    „Hörst du, Gerda?“, sagte Tante Judit triumphierend. „Hör auf Onkel Lajos, er kennt sich da aus.“
    „Judit, ich bin todmüde“, sagte Gerda affektiert und mit einem gewissen Stolz. „Quäle mich bitte nicht. Ich hatte seit heute Morgen ohne Unterbrechung vierzig Leute am Hals.“
    Gerda war nun allmächtig und glücklich. In der Filmfabrik war sie auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs. Sie hatte vierzig Leute am Hals.
    „Gut, Lajos, dann erzähl du Gerda bitte, was hier los ist. Auf dich hört sie. Meine liebe Gerda, du bist in eine furchtbare Diskussion gestolpert. Dein Bruder hat den Verstand verloren. Er ist plötzlich ganz rebellisch. Und die feuern ihn auch noch an!“
    Gerda sah mich verwundert an. Ihre Augen funkelten vor Freude.
    „Mach nicht gleich so ein Drama daraus“, ergriff Onkel Lajos

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