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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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damit ich es ja nicht als Pflicht empfand. Sie nahmen ihn mir nicht ab. Gaben nicht ihr Einverständnis dazu. Sie taten, was sie in dieser Situation tun konnten, da sie mir helfen wollten, weil sie das Gewicht eines Schwurs noch kannten, obgleich sie alle moderne Menschen waren. Und ich war glücklich, wer weiß wieso.
    Nun aßen wir von den beiden Suppen, obwohl sie inzwischen schon wieder etwas kalt geworden waren.

ZWEITER TEIL

11.
DER LÖWENHOF
    Auf dem Hof herrschte klirrende Kälte. Sogar die Idee, mich auf den Weg ins Unbekannte zu machen, erstarrte in mir. Der Zeitpunkt war ohnehin ungünstig, um mein Leben neu zu beginnen. Es waren zu viele anwesend. Gábor war da und auch die
Kleinen
: Szabó, Dervis, Ócsai und Ervin Gál. Sie schlossen das Gebäude ab. Mit mir beschäftigte sich, abgesehen von mir selbst, niemand.
    Ich dachte, am besten sei es, einfach irgendwie nach Hause zu gelangen.
    Diesen Tag endlich zu beenden und möglichst nie wieder in die Bibliothek zu kommen. Das war alles, was ich mit Sicherheit wusste. In der Bibliothek hatte ich mich zum Clown gemacht. Zu einem hässlichen, lächerlichen Clown. Das hatte sich an diesem Tag endgültig herausgestellt. Da mir niemand Beachtung schenkte und sogar Gábor mich vergessen hatte, fiel mir wieder das Zeitschriftenarchiv ein, und das, was ich am Nachmittag dort gefunden hatte.
    Der Dienstwagen kam vor den Eingang gefahren.
    „Ist niemand drinnengeblieben?“, fragte Gábor argwöhnisch.
    Ihn kannten in der Bibliothek schon alle. So gut, dass zum Beispiel Ervin Gál jetzt einfach durch ihn hindurchblickte.
    „Bist du enttäuscht, mein lieber Gábor?“, fragte Ócsai. „Wir sind die Letzten. Hast du etwas Besseres erwartet?“
    „Er dachte an die Schattenregierung, Géza“, sagte Dervis lachend. „Stimmt’s, Gábor?“
    „Nun, so könnte man es auch sagen ...“, gab Gábor beschämt zu.
    „Pst“, flüsterte Ócsai. „Ich wurde zum Verteidigungsminister gewählt. Das bleibt aber unter uns, ja? Wir haben niemanden eingeschlossen, oder?“
    Er blickte zu Szabó.
    „Nein. Heute nicht. Es ist keiner mehr drinnen. Und falls doch, wird er von Onkel Öcsi herausgelassen.“
    Ervin Gál ging nervös zum Dienstwagen.
    „Und wie lange hat das ähm ... Treffen gedauert?“
    „Und ähm ... Was geht dich das an, Gábor?“
    „Sag mal, Gábor“, fragte Ócsai. „Wer hat sich die Sache mit der Schattenregierung ausgedacht? Warst du das nicht zufällig?“
    „Das verbiete ich mir“, antwortete Gábor grinsend.
    „Schaut, wie stolz er ist.“
    „Das ist ein ziemlich schlechter Witz.“
    „Kommt endlich“, rief Ervin Gál.
    „Er hat nur etwas gefragt“, sagte Ócsai.
    „Er soll nichts fragen.“
    „Man darf wohl nicht einmal mehr fragen?“, sagte Gábor hitzig.
    Das überraschte mich: Immerhin sprach er mit dem beauftragten Bibliotheksleiter. Ervin Gál war das für den Tag eindeutig zu viel.
    „Sie nicht. Für Sie hat hier heute überhaupt nichts stattgefunden. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
    „Entschuldige, Ervin, aber wenn du etwas nicht warst, dann klar“, sagte Ócsai in schlichtendem Ton, der sich das als Ervin Gáls Biograf erlauben konnte.
    „Géza, halt du dich da raus“, fuhr Ervin Gál Ócsai an. „Du weißt nicht, worum es geht. Gábor, ich habe allmählich die Nase voll von Ihnen. Ich weiß von Ihren Geschichten und ich habe Ihnen schon heute Mittag gesagt, dass ...“ Das Gleiche, was er sich zu Mittag nicht getraut hatte auszusprechen, ließ er auch diesmal unausgesprochen. „Es reicht. Und was starren Sie eigentlich so?“
    Das war an mich gerichtet. Ich starrte ihn tatsächlich an.
    „Entschuldigung“, sagte ich in einem zugleich feigen und gereizten Ton.
    „Er wartet auf mich“, kam Gábor mir zur Hilfe.
    „Ach, sagen Sie bloß. Neuerdings wartet also auch schon jemand auf Sie? Das ist ja wunderbar. Die Lakaien haben also schon ihre eigenen Lakaien.“
    „Ich bin kein Lakai.“
    „Lass ihn, Ervin“, sagte Ócsai. „Er ist ein guter Junge. Stimmt’s, Gábor, du bist doch ein guter Junge?“
    „Los, Bewegung.“
    Ervin Gál setzte sich in den Dienst-Lada hinter Oszi Kerekes und knallte die Tür zu.
    „Kümmer dich nicht um ihn, Gábor.“
    „Du bist auch ein guter Junge, habe ich recht?“, wandte sich Dervis an mich. „Wir alle sind gute Jungen. Wäre nur diese hässliche Welt nicht so gemein. Na, bleibt ihr noch, Brüder? Dann solltet ihr auch mal daran ziehen.“
    Die Schnapsflasche machte

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