Liebe Unbekannte (German Edition)
eines besseren Zwecks würdigen Kraft, und Emma hatte damals beschlossen, in diese Kraft, die dem jungen Psychiater selbst übrigens zunehmend Sorgen bereitete, verliebt zu sein.
„Das war eine Entscheidung. Vielleicht die falsche.“
„Aber das Ergebnis ist vollkommen“, sagte Kornél bissig. „Ihr habt eine nette Beziehung, nicht?“
„Ich bin kein schöpferischer Mensch.“
„Was hat das denn damit zu tun?“
„Ich habe nicht das Recht, mich für etwas zu entscheiden.“
„Aber du hast dich für etwas entschieden.“
„Ich habe es nur zugelassen.“
„Das ist auch eine Entscheidung. Und wo ist dabei die Liebe?“
„Nirgends!“, sagte Emma wütend. „Ich bin eine dumme Gans.“
„Dann lass ihn doch sitzen.“
„Das mache ich nicht.“
„Wieso gerade dieser Typ?“
„Ich habe mich für ihn entschieden. Mithilfe eines Gottesurteils.“
„Lass hören.“
Und Emma erzählte, wie sie die Sache durch ein Gottesurteil habe entscheiden lassen, wann und wo es dazu gekommen sei, in welchem Wald, wie groß die Stille gewesen sei, was für ein Geräusch sich ihr genähert, wo sie sich versteckt habe und wie ihr Herz gerast sei. Kornél hörte ihr fasziniert zu.
„Du bestrafst dich“, sagte er dann.
„Lassen wir das“, bat ihn Emma.
„Keine Angst, ich bestrafe mich auch. Ich habe viel Erfahrung darin.“
„Ich will nicht durchschnittlich sein.“
„Ich sage doch, dass du dich bestrafst.“
Sie schwiegen.
„Er vergöttert dich, stimmt’s? Trägt dich auf Händen. Du bist der Sinn seines Lebens. Er nennt dich seine Königin.“
Emma verzog den Mund.
„Und der entsprechend finanzielle Hintergrund ist auch gegeben.“
Kornél dachte, Emma würde ihm jetzt vielleicht eine Ohrfeige geben. Sie zuckte jedoch nur wütend mit den Schultern.
„Würdest du Emőke sitzen lassen?“
„Schwanger nicht.“
„Erst, wenn sie das Kind bereits bekommen hat, stimmt’s?“, sagte Emma spöttisch.
So kam es, dass Emma, als sie sich im
Faktotum
trafen, Emőke Széles relativ ruhigen Herzens raten konnte, das Kind zu bekommen, es Kornél jedoch nicht erst zu Silvester, sondern jetzt schon zu gestehen, da Kornél ihr die Lüge sonst nie verzeihen würde. Emőke Széles war im Großen und Ganzen damit einverstanden, warf lediglich ein, dass sie Kornél bisher ja gar nicht angelogen habe, da sie sich noch nicht getroffen hätten. Sie müsste also zuerst lügen, um die Lüge dann eingestehen zu können.
„Die Reihenfolge ist entscheidend“, sagte sie, da sie ja nicht wissen konnte, dass Patai inzwischen bereits mit Kornél gesprochen hatte. „Wenn ich ihm nicht zuerst erzähle, abgetrieben zu haben, wird es gar keine Wirkung haben, dass die Abtreibung gar nicht stattgefunden hat.“
„Er weiß noch nichts davon?“, fragte Emma überrascht.
„Nein.“
Und Emőke Széles nahm ihre Tasche und kippte den gesamten Inhalt auf den Tisch, da sie bisher nach einem Taschentuch gesucht, vor Aufregung jedoch keines gefunden hatte.
„Verdammt, es gibt doch gar nichts zum Weinen“, rief sie, worauf sie nur noch mehr weinen musste. Emma streichelte ihr den Kopf.
Der Inhalt der Tasche lag in einem großen Haufen auf dem Tisch. Da waren Emőke Széles’ kleines Skizzenheft, ihre Stifte, ihr zerfledderter Personalausweis, und natürlich die Taschentücher, die Krankenhauspapiere, die Waschtasche, die sie letzte Nacht zur Täuschung ihrer Mutter zusammengestellt und vergessen hatte, wieder auszupacken, da war ihr kleiner Glücksbringer (eine Art Krähe), Fotos von Kornél, zwei Fotos, auf denen sie und Emma zu sehen waren, eine Haarspange aus der Zeit bevor sie sich die Haare hatte zwei Zentimeter kurz schneiden lassen, eine Packung Pille danach, ein Tampon, eine Schlinge und ein verschrumpelter Apfel. Meine Gedanken über den
übermenschlichen Menschen
hätten sich beinah ebenfalls in der Tasche befunden, diese hatte sie jedoch auf dem Boden des Bücherlagers liegen gelassen, da sie sie nicht bemerkt hatte. Von dort waren sie dann verschwunden. Nur die Nelke war hier, da sie diese mit ihrem Mantel weggefegt, als sie ihn im Halbdunkel ausgezogen hatte, um ihn zum Weinen über den Kopf zu ziehen. Als sie dann aufstand, bemerkte sie daher nur die Nelke. Sie nahm sie auch mit, stellte sie jedoch nicht zu der anderen in den Saure-Sahne-Becher, da sie plötzlich Wichtigeres zu tun hatte.
Emma half ihr, alles in die Tasche zurückzuräumen.
„Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde,
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