Liebe Unbekannte (German Edition)
gleiche Bande. Immer die gleiche. Alle Karten sind verteilt. Und Ihnen sieht man von Weitem an, dass Sie nicht zu ihnen gehören.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen“, sagte Kornél den Satz, der in dieser Situation zu sagen war.
„Sie haben keine Ahnung, ganz richtig“, erwiderte Patai. „Sie tun ganz recht daran, niemandem zu vertrauen.“
„Auf Wiedersehen“, wollte Kornél sagen, er blieb jedoch, da Patai ihn zu sehr interessierte.
„Warten Sie. Was soll ich Ihnen erzählen, was Sie vielleicht noch interessieren könnte … Ah, ich hab’s! Sie haben letztens erwähnt, dass Sie in eine gute alte Freundin von mir verliebt sind.“
„Das habe ich nicht gesagt.“
Das hatte Kornél tatsächlich nicht gesagt. Es war ungefähr einen Monat zuvor zu diesem Gespräch gekommen, als Kornél wegen der Kamera bei Patai war. Während sie das Gerät ausprobierten, konnte Kornél der Versuchung nicht widerstehen, Patai folgende Frage zu stellen:
„Entschuldigen Sie … Stimmt es, dass Sie und Emma Olbach in Briefkontakt stehen?“
Auf diese Frage war Kornél später nicht besonders stolz, da sie Schwäche verriet und er dadurch Emma Patai auslieferte. Er hatte sie jedoch einfach stellen müssen. Er wollte wissen, was Emma mit Patai zu tun hatte. Dieser war auch sichtlich erstaunt.
„Na, sieh mal einer an! Wieso interessiert Sie das?“
Und wenn er die Frage schon einmal gestellt hatte, unterhielt sich Kornél nun mit Patai, zwar mit einem unguten Gefühl, aber ausführlich über Emma. Dabei hatte Emma ihm lediglich erzählt, ein bis zwei Briefe mit Patai gewechselt zu haben.
„Ganz ruhig“, sagte Patai grinsend. „Zwischen uns liegt ein halbes Jahrhundert. Sie war noch ein Mädchen, als ich sie kennenlernte. Wenn es Sie beruhigt: Alle meine Geliebten waren zwischen sechzehn und vierundsiebzig, kleine Mädchen und alte Frauen interessierten mich nie. Ja, leider hatte ich nicht einmal mit ihrer Mutter etwas, die vom Alter her schon eher zu mir gepasst hätte. Dabei habe ich es versucht, das können Sie mir glauben. Aber es gibt eben Frauen, die nicht zu bekommen sind.“
Patai holte ein Heft hervor, öffnete es beim Buchstaben P und legte es vor Kornél auf den Tisch. Darin standen untereinander durchnummerierte Frauennamen, alle mit rotem Stift durchgestrichen. Alle, bis auf einen: Edit Perbáli.
„Hier haben wir es doch! Dieses Heft hat außer meiner Frau noch niemand gesehen, ich hoffe, Sie wissen das zu würdigen.“
In so einem jovialen Ton war dieses Gespräch mit Patai verlaufen. Da gibt es nichts zu beschönigen, Patai und Kornél hatten sich wie zwei alte Freunde über Emma ausgetauscht. Kornél dachte nicht gerne daran zurück, vor allem nicht nach dem, was an diesem Tag passiert war.
„Also, ich habe mir über unser letztes Gespräch viele Gedanken gemacht“, fuhr Patai fort, wobei er Kornéls Antwort, er habe nicht behauptet, in Emma verliebt zu sein, außer Acht ließ. „Seitdem beschäftigt mich die ganze Zeit die Vorstellung, was für ein Traumpaar man aus Ihnen beiden basteln könnte.“
Patai sah Kornél mit forschendem Blick an, der diesem standhielt.
„Es gibt jedoch ein kleines Problem mit dem Mädchen.“
„Es gibt viele Probleme mit ihr“, erwiderte Kornél. „Wie mit jedem.“
„Wenn eine Frau über zwanzig ihre Jugendgedichte aufhebt, deutet das auf nichts Gutes hin. Es deutet darauf hin, dass wir es mit einer künftigen Psychopathin zu tun haben.“
„Das weiß sie auch.“
„Ja, sie ist ja nicht dumm“, sagte Patai. „Nun, das ist das Risiko an der Sache. Sie müssten übrigens nur ihren kleinen Finger nach ihr ausstrecken, und sie würde Ihnen in die Arme fallen. Sie müssen nur mit ihrem Mutterkomplex klarkommen. Aber schließlich sollen Sie ja auch etwas zu tun haben. Dieser Seelenklempner passt nicht zu ihr. Darin sind wir uns, nehme ich an, einig.“
„Wenn ihr Schicksal Ihnen so sehr am Herzen liegt“, fragte Kornél, denn Emma hatte ihm das auch erzählt, „warum sind Sie dann nicht zu dem Treffen gegangen, um das sie Sie gebeten hatte?“
„Auf den János-Berg? Sie war so nett, mir in ihrem Brief die Option zu lassen, nicht hinzugehen, und ich war so frei, mich für die einfachere Lösung zu entscheiden. Seien Sie froh, so lange Sie nicht wissen, was ein Hexenschuss ist. Also, ich rate Ihnen, Emma mit nach Hause zu nehmen. Ich nehme an, nach dem, was passiert ist, werden Sie Emőke sowieso sitzen lassen.“
Jetzt dachte Kornél,
Weitere Kostenlose Bücher