Liebe Unbekannte (German Edition)
schlechte Nachricht interessiert Sie wohl gar nicht?“
Kornél rannte jedoch förmlich hinaus, denn er wäre nur zu gerne geblieben.
„Du bist nicht mehr der Alte“, sagte die zwei Jahre zuvor verstorbene Klárika gehässig. „Früher konnte man nicht so mit dir reden. Oder vielleicht doch? Hast du nur mir gegenüber den Großhans gespielt?“
„Er kommt zurück“, sagte Patai mürrisch. „Ganz blöd ist er ja auch nicht.“
Kornél kam jedoch nicht zurück. Patai zuckte mit den Schultern, packte langsam seine Sachen zusammen, blickte dabei wiederholt aus dem Fenster auf die Elisabethbrücke und ging dann nach Hause, auf den Sváb-Berg, in die Nesz Straße 30. Am ersten Januar ging er in Rente.
Er hatte eine Niederlage erlitten. Denn er hatte jemandem alles von Anfang bis Ende erzählen wollen und geglaubt, Kornél, den er aus mehreren Gründen für die geeignetste Person hielt, eine ausreichende Kostprobe gegeben zu haben. Er hatte natürlich auch andere aus der Bibliothek ins Auge gefasst, unter anderem Gábor. Alles erzählen wollte er, da er nach einem Sinn für sein Leben suchte. Auch später noch versuchte er, eine geeignete Person zu finden, begnügte sich jedoch mit immer ungeeigneteren, Oszi Kerekes bekam seine Geschichten zu hören und die Kassiererin im Lebensmittelgeschäft in der Fagyöngy Straße, und dann starb er. Die ideale Lösung für ihn wäre ich gewesen, ich hätte ihm jahrelang zugehört, und mich hatte er auch lange beobachtet, zögerte jedoch, vielleicht befürchtete er, Onkel Lajos könnte sich auf irgendeine Art an ihm rächen. Ich glaube es nicht wirklich, aber es ist nicht ausgeschlossen. In den Köpfen der Alten lebten noch viele Wörter und Begriffe, die in unseren nur noch Staubfänger sind.
In Kornéls Fall war er mit der Wohnung übers Ziel hinausgeschossen. Wenn es dieses Wohnungsangebot nicht gegeben hätte, wäre Kornél sein Lebtag lang in die Nesz Straße gefahren, denn er wünschte sich nichts mehr, als dass jemand ihm alles erzählte.
In Kenntnis dieser Vorgeschichte ist es also keineswegs verwunderlich, dass Kornél Gábor
Mäuschen
nannte. Und dass das bei Gábor das Fass zum Überlaufen brachte, ist noch weniger verwunderlich. Dass jedoch an dem Abend genau dann etwas auf dem Sváb-Berg in Flammen aufging, als Gábor und ich von der Bibliothek aus den Hang dieses Berges betrachteten, könnte nun wirklich wie ein sehr unwahrscheinlicher Zufall erscheinen. So große Zufälle gibt es nicht. Und es war auch keiner: Denn Gábor war tatsächlich ein Medium.
Kornél lief an diesem Abend auf dem Sváb-Berg herum, mit der zweiten Flasche hochprozentigem Alkohol in der Hand und dem Ziel zu erfrieren. Zumindest war es das, was er Gábor erzählte, den dramatischen Aspekt der Geschichte ein wenig zuspitzend, sollte Gábor ihn ruhig um das hochgesteckte Ziel beneiden. Außerdem war er neugierig auf den Esel. Und natürlich auf Patai. Wahrscheinlich habe er unterwegs tatsächlich etwas angezündet, vielleicht einen Heuschober irgendwo am Waldrand, denn in einem Wald sei er auch gewesen, daran könne er sich erinnern. All das war jedoch nicht sicher und wurde auch später nicht geklärt. Es war auch nicht ausgeschlossen, dass es im Garten des Hauses von Patai geschah, wobei er dort wahrscheinlich eher nicht war. Irgendwie erinnerte er sich später wegen eines Beruhigungsmittels namens
Parkán
an alles und nichts.
Am Nachmittag, nachdem er von Magda Feld nach Hause gekommen war, kramte er eine der Tabletten hervor, die er schon seit Langem hatte ausprobieren wollen. An richtige Drogen kam man wegen der gut behüteten Grenzen nicht heran, über
Parkán
hatte er jedoch bisher nur Gutes gehört. Es war mit Alkohol einzunehmen, eine Kombination von ausgezeichneter bewusstseinsverändernder Wirkung, dank derer man mehrere Tage lang durch die Stadt irren, in Abenteuer verwickelt werden, Probleme mit Abstand behandeln, in Rákoscsaba mit Eisenbahnarbeitern rauchen, in Pesterzsébet vom Regen völlig durchnässt werden konnte, um dann am Donauufer wieder zu trocknen. Vom Frühjahr an bis zum Herbst konnte das sehr lehrreich und beinah ungefährlich sein, aber jetzt im Winter konnte man dabei unter Umständen erfrieren. Die andere Tablette hatte er ursprünglich Gábor geben wollen, damit sie einmal gemeinsam … Die außergewöhnlichen Umstände begründeten nun jedoch, dass er die Tablette allein einnahm. Gábors Tablette bewahrte er auf, was vielleicht dazu beitrug, dass er die
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