Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
Vom Netzwerk:
der Schreibtisch würde doch nicht so schwer sein, dass er ihn nicht Patai auf den Schoß kippen könne.
    „Wie kommen Sie denn darauf?“
    „Ach ja, ich vergesse immer, dass Ihnen ein lupenreines Gewissen wichtig ist. Verzeihen Sie. Sie werden sie nicht verlassen, sondern ein paar Wochen warten und sie währenddessen so lange provozieren, bis sie Sie verlässt.“
    „Herr Patai, ich gehe jetzt.“
    „Entschuldigung“, sagte Patai, „ich wollte nicht persönlich werden, sondern lediglich sicherstellen, dass sich unsere Beziehung auf dem Fundament der gegenseitigen Aufrichtigkeit bewegt. Setzen Sie sich wieder, in Ordnung? Auf die andere schlechte Nachricht sind Sie wohl gar nicht neugierig?“
    Kornél seufzte und setzte sich wieder, denn Patai interessierte ihn wirklich sehr.
    „Wie ich bereits gesagt habe, hätte ich eine ernste Frage an Sie. Oder vielleicht eher eine Bitte. Womit wollen wir beginnen? Mit der schlechten Nachricht oder der Bitte?“
    „Mit der Bitte“, antwortete Kornél, denn er hätte Gift darauf nehmen können, dass Patais schlechte Nachricht eine gute sein würde. Dass Emőke Széles doch nicht hatte abtreiben lassen, wäre ihm jedoch nie in den Sinn gekommen.
    „Ihr Wunsch ist mir Befehl. Also, hören Sie: Ich habe ein kleines Problem. Ich habe Ihnen bereits erzählt, dass ich allmählich verrückt werde. Ich möchte Sie nicht mit den Einzelheiten langweilen, aber ich habe beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, und Sie könnten mir dabei eine kleine Gefälligkeit erweisen …“
    „Das kommt nicht infrage!“
    Seitdem Patai – kaum eine halbe Stunde zuvor – das Verrücktwerden zum ersten Mal erwähnt hatte, war sich Kornél sicher, dass Patai versuchen würde, ihn zu überreden, ihm dabei behilflich zu sein, sich umzubringen. Dass er auf irgendeine Art dabei assistieren sollte. Vielleicht hatte er ja einen Gehirntumor.
    „Verzeihen Sie“, fügte er aus Höflichkeit hinzu.
    „Ach, so. Ich verstehe!“, sagte Patai und kicherte. „Nein, darum geht es gar nicht. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich ein feiger Hund bin.“
    Patai warf einen Blick auf die Uhr.
    „Ich habe auf dem Sváb-Berg einen Esel. Er ist kein Fohlen mehr, er ist mir im September ’69 zugelaufen. Eines Tages erschien er in meinem Garten, den er sich offenbar als künftigen Wohnort ausgesucht hatte. Sein Eigentümer tauchte nie auf. Es war, als hätte ich ihn vom Wald bekommen. Die Sache war ein bisschen mysteriös, und um ehrlich zu sein, ist sie das auch heute noch. Der Vorfall mit Ihrer Emma hatte sich nämlich wenige Tage zuvor ereignet, in einer anderen Ecke der Budaer Berge. Seltsam. Je älter ich werde, desto nachsichtiger, aber auch gleichgültiger werde ich gegenüber der Mystik. Letztlich ist es egal. Nutzen Sie Ihre Jugend! Und was den Esel betrifft: Ich habe mir schon die raffiniertesten Tricks ausgedacht, um ihn loszuwerden. Ich habe bereits unzählige Male versucht, ihn zu verschenken. In Budapest wird man einen Esel jedoch nicht los. Außer, man überlässt ihn der Fleischindustrie. Sie haben in der Bibliothek bestimmt schon von diesem Esel gehört. Man hält mich deswegen für verrückt, dabei bin ich ja selbst nicht gerade glücklich, einen Esel zu besitzen. Ich bin auch nicht mehr taufrisch. Esel hingegen sind langlebige Tiere. Vielleicht hat er noch zwanzig Jahre vor sich. Ich möchte ihn in guten Händen wissen. Dabei dachte ich an Sie. Wenn Sie mich besuchen würden, könnte ich ihn Ihnen vorstellen. Damit Sie sich ein wenig kennenlernen. Und im Falle gegenseitiger Sympathie könnte daraus etwas Langfristiges werden.“
    Kornél musste lachen, denn von Patais Esel hatte er natürlich schon gehört, mit so einer Bitte hätte er jedoch nicht gerechnet.
    „Sie lachen, ja, an Ihrer Stelle würde ich auch lachen, aber Sie werden staunen, wenn Sie erst einmal sehen, wo dieser Esel lebt. Es gibt eine komplett ausgebaute Infrastruktur für ihn. Mit einem hübschen kleinen, beheizten Stall, einem riesigen Garten zum Grasen, der sich im Wald verläuft. Für die Futterversorgung im Winter ist gesorgt, das werde ich Ihnen alles erklären. Das Ausmisten ist die Aufgabe von Oszi Kerekes. Er und seine Frau leben im Erdgeschoss.“
    „Ihr Esel hat meinen ganzen Respekt“, sagte Kornél, wider Willen lächelnd, denn über einen Esel kann man nur schwer sprechen, ohne zu lächeln.
    „Wusste ich es doch“, sagte Patai erfreut. „Einen Esel können selbst Sie nicht ablehnen! Dann hätten

Weitere Kostenlose Bücher