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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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Ureinwohner Australiens“, sagte Gábor, „haben eine Menge Eigenschaften, die wir nicht haben. Sie haben wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass sie von einer Zivilisation weggedrängt wurden. Es hat sie nicht gestört. Ihr Gehirn arbeitet einfach anders.“
    „Und die Eskimos?“
    „Ihres auch. Es sind zum Niedergang bestimmte Unterarten.“
    „Wie wir“, sagte Ócsai, womit er die Diskussion auf die konkrete Lage lenkte. „Es wird bestimmt bald einer der Organisatoren herkommen und uns sagen, wir seien hier völlig fehl am Platz und wir sollten uns aus der Mitte des Saals fortscheren, weil hier getanzt werde und so. Und wir werden schön Platz machen, denn wir sind auch eine zum Niedergang bestimmte Unterart.“
    „Und sie werden uns die besten Frauen vor der Nase wegschnappen.“
    „Nicht nur die besten, Feri. Die Frauen im Allgemeinen.“
    Darin waren sie sich einig. Sie hassten die, die sie aus der Mitte des Saals an den Rand schicken würden, von wo aus man sie noch weiter hinausdrängen würde, schon im Voraus. Sie setzten sich lieber gleich an die Wand, noch bevor man sie wegschicken würde. Sie waren die Vertreter einer zum Niedergang bestimmten Unterart.
    Gábor blieb bei ihnen, weil er sich als ihren Unterartgenossen verstand, außerdem hatte er bis zum Abend nichts zu tun. Ihm bereitete Sorgen, dass ich verschwunden war. Als am Nachmittag in der Eckkuppel noch geprobt wurde, ging er zu Tante Gizella, von der er erfuhr, dass ich losgezogen war, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Gut, demnach war ich nicht verschollen. Beruhigt ging er zurück in die Eckkuppel, wo die Probe immer noch in vollem Gange war, und woran sich auch eine ganze Weile nichts änderte.
    Irgendwann kam jedoch der Schlagzeuger vorbei, um Tabaki zu fragen, ob es auf dem Ball nun ein Konzert geben würde oder nicht, weil wenn nicht, würden sie langsam gerne mal ne Flasche öffnen. Und was denn nun mit den Songs sei. All das war auch Tabaki nicht egal und bis zu einem gewissen Grad auch Brüll nicht, also zogen sie mit dem Schlagzeuger los, um Klarheit zu erlangen. Michael Prescott saß da bereits auf dem Baugerüst und freute sich wie ein Kind über das Budaer Panorama. Emőke Széles und Gábor waren zu zweit geblieben, denn Kornél zählte im Augenblick nicht, da er wie ohnmächtig schlief.
    Da fand Emőke Széles meine Gedanken über den übermenschlichen Menschen. Sie lagen, zusammen mit dem zerrissenen Umschlag, ganz oben auf einem Papierstapel. Bisher hatte Tabaki auf dem Papierstapel gesessen. Er stopfte alles, was er fand, unter sich. Emőke Széles hob die Papiere vom Boden auf.
    „Dieser Idiot hat seine Texte hier gelassen.“
    „Das ist mit Maschine geschrieben“, sagte Gábor.
    „Hat mein Liebster etwa Gedichte geschrieben?“, sagte Emőke Széles mit glänzenden Augen. Sie deutete auf Kornél.
    „Ausgeschlossen“, sagte Gábor.
    „Schau du es dir an, ich traue mich nicht. Was, wenn er darin mich beschimpft?“
    „Nein, es wird niemand beschimpft“, sagte Gábor, nachdem er die Zeilen überflogen hatte.
    Ich lege den Kopf auf den Tisch
Ich sehe nichts mehr, alles verschwimmt
Ich träume
    Der Walnussast, ein Schattenriss
Schwebt hinterm Fenster, ungewiss
Ich träume
    „Und so weiter“, sagte Gábor und gab das Blatt Emőke Széles.
    „Liebster, hast du das geschrieben?“, fragte Emőke Széles Kornél, ihn wachrüttelnd.
    Kornél starrte auf das Gedicht.
    „Ich denke, nicht. Ach ja!“, sagte er, als ihm die frühmorgendliche Szene mit Onkel Öcsi einfiel. „Onkel Öcsi hat mir das gegeben.“
    „Dafür ist es gar nicht so schlecht“, sagte Emőke Széles. „Ich träume das, wofür ich bin, das Vollkommene, das Große! Hm! Ist doch ganz gut.“
    „Schau doch endlich mal, was für ein Monogramm dort steht“, sagte Gábor. „Onkel Öcsi heißt Árpád Schlurfer.“
    „Das ist nicht dein Ernst“, fragte Emőke Széles und prustete los. „Er heißt wirklich so?“
    „Ja!“, sagte Gábor ebenfalls lachend.
    Kornél grinste auch. Er kam langsam zu sich.
    „Onkel Öcsi hat es nicht geschrieben“, stellte er die Sache richtig. „Ihr Dummköpfe! Er hat mir nur den Zettel gegeben. Heute Nacht bei der Pförtnerloge. Wie spät ist es?“
    „Ist das nicht völlig egal? Schlaf, Liebster.“
    Das musste man Kornél nicht zweimal sagen. Er schlief ein und wachte bis zum Ball gar nicht mehr auf.
    „Die sind an mich gerichtet“, sagte Emőke Széles begeistert, nachdem sie den Brief und die anderen

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